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LATEINAMERIKA/066: Eine Friedenskultur in Jamaika aufbauen (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 17. August 2010

Eine Friedenskultur in Jamaika aufbauen

Von Jane Stranz


Die Internationale ökumenische Friedenskonvokation (IöFK) im Mai 2011 in der Hauptstadt Jamaikas, Kingston, werde eine Solidaritätsbezeugung für die Friedenskultur sein, die die Kirchen auf der Insel aufbauen wollen, sagt Pastor Dr. Paul Gardner, Präsident des Rates der Kirchen von Jamaika, einer der Gastgeber der Veranstaltung.

"Die Friedenskonvokation wird den Gruppen, die sich in den verschiedenen Gemeinschaften nachdrücklich für den Frieden einsetzen, Begeisterung und Impulse vermitteln, und ich denke, dass dies ihr Beitrag für Jamaika sein wird", sagte Gardner, der seit 2005 Präsident der Brüder-Unität in Jamaika und den Cayman-Inseln ist und 2008 zum Präsidenten der weltweiten Brüder-Unität gewählt wurde.

Gardner wurde unlängst in Genf interviewt, wo er an einer Planungstagung für die Friedenskonvokation teilnahm, die gemeinsam vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und dem Karibischen Rat der Kirchen veranstaltet wird.

"Die IöFK wird eine enorme Solidaritätsbezeugung für die Friedenskultur sein, die wir in Jamaika aufbauen wollen", sagt Gardner.

Er sprach Kingstons "Garnisonsgemeinschaften" an, in denen die eine oder andere politische Partei, weil sie mit fast hundertprozentiger Unterstützung rechnen kann, häufig über die dortige Kriminalität hinwegsehe. Vor einigen Monaten hätten Sicherheitskräfte versucht, in die Tivoli Gardens vorzudringen; in der Folge habe der Ausnahmezustand ausgerufen werden müssen. Solche Gemeinschaften gebe es nur in Kingston, sagte er.

"Die Parteien sind gegenüber der Kriminalität in diesen Gemeinschaften bewusst blind. Das Land wurde als Geisel genommen", erklärt Gardner. "Die Politiker müssen diese Garnisonsgemeinschaften abschaffen, damit die Leute sich frei fühlen zu wählen, wen sie wollen."

Die Kirchen, so Gardner, müssen in solchen Situationen proaktiv sein.

"Ich halte es für wichtig, dass die Kirchen weit mehr Interesse an der Entwicklung der verschiedenen Stadtteile zeigen, weit mehr Interesse an dem Schicksal der Leute, die in diesen deprimierenden Bezirken in der Innenstadt leben", betont er. "Ich denke nicht, dass wir uns den Luxus leisten können, uns nicht einzumischen oder zu glauben, dass schon nichts passieren wird."


Erlösung von dem Bösen

In Jamaika, sagt Gardner, sei es die wichtigste Aufgabe für die Kirchen, Anwälte für Gerechtigkeit, Frieden und soziale Veränderung zu sein.

"Eines der positiven Ergebnisse, wenn man überhaupt von positiven Ergebnissen der Ereignisse sprechen kann, ist die Bildung einer zivilgesellschaftlichen Gruppe, die die Regierung auf ihre Verantwortung dafür hinweist, dass sich die Gemeinschaften angemessen entwickeln können und dass sie ihre Wahlversprechen einlöst."

"Wir sind keine politische Partei, wir sind Kirchenmitglieder und kirchliche Verantwortliche und wir müssen in der Lage sein, auszusprechen, was wir als Gottes Wort an die Kirchen in dieser Zeit erkennen", sagt Gardner.

In den letzten Jahren sei eine Dachorganisation gebildet worden, der auch Kirchen angehörten, die nicht Mitglieder des Rates der Kirchen in Jamaika sind. "Wir haben einen Weg gefunden, um sie zusammenzubringen", sagt Gardner. Allerdings habe "der Ausnahmezustand die Gruppe beinahe zum Scheitern gebracht ... weil einige von uns aussprechen wollten, dass die Regierung irrt. Doch gab es kirchliche Verantwortliche, die dazu nicht bereit waren."

Mit Bezug auf die Bitte "erlöse uns von dem Bösen" im Vaterunser sprach Gardner von den Herausforderungen, denen sich die Kirchen gegenübersehen, wenn sie unter derart angespannten politischen Umständen Zeugnis ablegen.

"Zur 'Erlösung von dem Bösen' gehört, dass man sich nicht von einem politischen System einspannen lässt, weil man es sich mit der Regierung nicht verscherzen will", sagt er. "Man muss vom politischen System unabhängig sein, um klar und offen sprechen zu können und eine Agenda zu haben, die sich von jener der politischen Parteien unterscheidet."

Gardner sagt, er sehe der Friedenskonvokation im Mai nächsten Jahres voller Erwartung entgegen. "Jamaika ist nach wie vor ein offenes Land und es ist immer noch sicher, nach Jamaika zu kommen", sagt er mit einem Lächeln.

Die Erfahrung, die die Kirchen in Jamaika dabei machten, in einer solchen Zeit Zeugnis abzulegen und mit prophetischer Stimme zu sprechen, sei "für Christen und Kirchen auf der ganzen Welt ein starkes Zeugnis für gerechten Frieden".


Jane Stranz koordiniert den ÖRK-Sprachendienst. Sie ist Pastorin der Reformierten Kirche von Frankreich und der Vereinigten Reformierten Kirche in Großbritannien.

Mehr Informationen zur Internationalen ökumenischen Friedenskonvokation in Kingston:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=e12a7e0a7ec8fc5c5d69

Länderprofil und ÖRK-Mitgliedskirchen in Jamaika:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=34dcef68be7c06d45db5


Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Feature vom 17. August 2010
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2010