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MELDUNG/046: Theologe erforscht Motivation für kirchliche Trauungen (idw)


Georg-August-Universität Göttingen - 21.06.2010

Traumhochzeit in Weiß - Heiraten aus Sicht der Brautpaare

Theologe der Universität Göttingen erforscht Motivation für kirchliche Trauungen


(pug) Kein Tag im Leben eines Paares wird so minutiös geplant wie der Hochzeitstag. Jedes Detail ist wichtig, von der Bekleidung über die Sitzordnung bis zum Blumenschmuck für die Kirche. Das weiß auch der Theologe Konrad Merzyn. Er hat selbst jahrelang als Gemeindepfarrer gearbeitet und zahlreiche Paare getraut. Doch für viele seiner Kollegen ist die kirchliche Trauung inzwischen eher zum ungeliebten Ritual geworden, weiß der Theologe. Denn zuweilen empfinden Pfarrer die Gestaltung der Zeremonie durch die Brautleute als reine "Show", die für sie nur noch wenig mit religiösen Gefühlen zu tun hat. Doch ist das wirklich so? Geht es Paaren, die kirchlich heiraten, lediglich um eine "Traumhochzeit in Weiß"?

Dieser Frage ist Konrad Merzyn nachgegangen. In seiner Doktorarbeit hat er untersucht, welche Funktion das Ritual der Trauung für das Brautpaar hat, was sie motiviert, kirchlich zu heiraten und welche Eindrücke sie damit verbinden. In ausführlichen Interviews hat der Theologe getraute Paare im Großraum Hannover zu ihren Hochzeiten befragt, quer durch alle Alters-, Einkommens- und Berufsgruppen, auf dem Land und in der Stadt.

Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung: Grund für die kirchliche Heirat sind oft tief empfundene religiöse Gefühle. "Die Beobachtung, dass die interviewten Paare auffallend häufig mit dem Erleben der kirchlichen Trauung religiöse Bedürfnisse verbinden, widerspricht der unter Pfarrern verbreiteten Ablehnung der kirchlichen Trauung als Show, bei der sie sich selbst zu Statisten verurteilt fühlen", so Konrad Merzyn. Er nennt ein Beispiel: Immer mehr Brautpaare wählen für den Einzug in die Kirche wieder die Variante der Brautübergabe - die Braut schreitet am Arm ihres Vaters zum Altar, wo der Bräutigam sie in Empfang nimmt. Viele Pfarrer denken, dass es dem Brautpaar dabei vor allem auf den großen Auftritt ankommt, berichtet der Theologe. Doch für die Eheleute steht oft etwas ganz anderes dahinter: Zum Beispiel wird die "Übergabe" der Braut als Loslösung von den eigenen Eltern verstanden. Natürlich spielen auch romantische Vorstellungen à la "Traumhochzeit" eine Rolle bei der kirchlichen Heirat. Aber für die Paare, die Konrad Merzyn befragt hat, steht vor allem das Eheversprechen vor Gott und dem Partner im Vordergrund. Zwiespältig wird dagegen das Verhältnis zwischen standesamtlicher und kirchlicher Trauung beschrieben. Zwar schildern die Paare die standesamtliche Trauung überwiegend als enttäuschend oder belanglos; die mit der Eheschließung verbundenen Rechte werden jedoch sehr hoch geschätzt und waren oft der Auslöser für die Entscheidung, zu heiraten.

Durch die Integration qualitativer Interviews in die praktisch-theologische Forschung ist es Konrad Merzyn gelungen, die komplexe Lebenssituation der Paare und ihre Wahrnehmung der kirchlichen Trauung differenziert zu erfassen. Durch seine Arbeit möchte der Theologe dazu beitragen, die Rolle der Paare bei der kirchlichen Trauung differenzierter zu betrachten. Für die Situation seiner Berufskollegen hat er dabei Verständnis. "Aufgrund immer knapper werdender Ressourcen stehen die Pfarrer heute sehr unter Zeitdruck", betont Merzyn. Bei maximal 60 Minuten Vorgespräch pro Trauung sei eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Wünschen und Gefühlen des Brautpaares daher oft nur eingeschränkt möglich.


Dr. des. Konrad Merzyn arbeitet als Assistent am Lehrstuhl für Praktische Theologie (Prof. Hermelink) der Universität Göttingen und plant gegenwärtig ein weiteres empirisches Forschungsprojekt zur "Feier des Weihnachtsfestes als Ritualisierung familiärer Religiosität". Seine Dissertation wird im November 2010 bei der Evangelischen Verlagsanstalt in Leipzig erscheinen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Georg-August-Universität Göttingen, Dr. Bernd Ebeling, 21.06.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2010