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STANDPUNKT/108: Hohnsprechende Demagogie des emeritierten Ratzingerpapstes (Gerhard Feldbauer)


Hohnsprechende Demagogie des emeritierten Ratzingerpapstes

von Gerhard Feldbauer, 13. April 2019


Der 2013 zum Rücktritt gezwungene deutsche Ratzingerpapst alias Benedikt XVI. hat die sogenannte "sexuelle Revolution" der 68er Jahre und die Säkularisierung der westlichen Gesellschaft für den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche verantwortlich gemacht. In einem Beitrag im bayerischen Klerusblatt führt er das auf "außerkirchliche Entwicklungen" zurück und behauptet, die Liberalisierung der Sexualität und die "Abwesenheit" von Gott in der heutigen Gesellschaft" hätten dazu geführt, dass "auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde."

Seit der im Februar von seinem Nachfolger Franziskus veranstalteten Anti-Missbrauchskonferenz wird zunehmend gefordert, die Sexualmoral der Kirche und die Ehelosigkeit der Priester zur Diskussion zu stellen. Benedikt aber warnt davor, das Problem mit der Erneuerung der Kirche lösen zu wollen, "eine von uns selbst gemachte Kirche kann keine Hoffnung sein".

Vatikankenner verweisen darauf, dass während der Amtszeit von Ratzinger als Papst weltweit massenweise Kinder von Geistlichen missbraucht wurden und von ihm nichts dagegen unternommen wurde. Im Gegenteil förderte seine auf bedingungslose Unterwürfigkeit ausgerichtete Erziehungslehre diesen Missbrauch. Davon zeugte, dass er bereits 1977 der erzkonservativen und papstergebenen Gemeinschaft "Neokatechumenaler Weg" erlaubte, sich in seinem Bistum in München zu etablieren. Die 1964 in Spanien gegründete, heute weltweit agierende Betgemeinschaft unterhält zahlreiche Priesterseminare, die den Weg zurück zu den Ursprüngen der katholischen Kirche predigen und sich dabei auf Kirchenvater Ciprian berufen, der als Bischof von Karthago das Katechumenat, die Vorbereitung auf die Taufe, einst vor allem durch die Büßerpraxis vertiefte.

Die Neokatechumenalen fordern ein Leben "in Demut, Einfachheit und Lob des Herrn", fordern absoluten Gehorsam gegenüber jedem seiner Priester. 2008 erließ Ratzinger als Papst die kirchenrechtliche Anerkennung der Organisation. Wie sollen derart instruierte Kinder und Jugendliche sich jedwedem Ansinnen eines Priesters da widersetzen, äußerten Kritiker. Diesem Geist der Unterwürfigkeit diente der Ratzingerpapst weiter durch seine Förderung des Gotteswerkes Opus Dei, dessen Ehrendoktorwürde er erhielt. Er propagierte dessen mittelalterliche Züchtigungsrituale mit Geißel und Stachelgürtel und die Lobpreisung von "Schmerz".

Im Zusammenhang mit der Missbrauchskrise wird immer auch verstärkt gefordert, die im Zölibat festgeschriebene Sexualmoral der Kirche und die Ehelosigkeit der Priester zur Diskussion zu stellen. Benedikt wendet sich dagegen und warnt, das Problem mit der Erneuerung der Kirche lösen zu wollen. Damit wird der Kern seines Vorgehens sichtbar: Die von seinem Nachfolger Franziskus verkündete "Erneuerung der Kirche" zu verhindern. Obwohl Benedikt bei seinem Rücktritt 2013 versicherte hatte, hinter den Vatikan-Mauern "für die Welt verborgen" zu leben, hält er sich, wenige Tage vor seinem 92. Geburtstag am 16. April, wieder einmal nicht daran.

An dem Beitrag von Benedikt XVI. hagelte es geharnischte Kritik. Die Professorin an der kalifornischen Privatuniversität Santa Clara, Julie Hanlon Rubio, nannte auf Twitter Benedikts Analyse als "zutiefst fehlerhaft" und "beunruhigend". Es sei "verblüffend", eine "freizügige Kultur und progressive Theologie für ein internes und strukturelles Problem verantwortlich zu machen". Brian Flanagan, Dozent an der Marymount University im amerikanischen Virginia, bezeichnete das Schreiben als "beschämend". Die Annahme, dass der Missbrauch von Kindern durch Geistliche ein Ergebnis der 1960er Jahre und eines angeblichen Zusammenbruchs der Moraltheologie sei, nennt der Theologe eine "peinliche, falsche Erklärung für den systematischen Missbrauch von Kindern und dessen Verschleierung".

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2019

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