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INTERNATIONAL/082: Kamerun - Kettensägen und Bulldozer vertreiben die Waldmenschen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2012

Kamerun: Kettensägen und Bulldozer vertreiben die Waldmenschen - Regierung will Pygmäen sesshaft machen

von Ngala Kilian Chimtom


Indigene Baka fordern Zugang zum Niki-Nationalpark - Bild: © Nagal Kilian Chimton/IPS

Indigene Baka fordern Zugang zum Niki-Nationalpark
Bild: © Nagal Kilian Chimton/IPS

Jaunde, 2. Juli (IPS) - Jedes Mal, wenn sich in der Nähe ihres kleinen Dorfes Assoumdele im Osten Kameruns ein Bulldozer auf dem Weg zu einer neuen Erzmine krachend eine Schneise durch den nahe gelegen Ngoyla-Mintom-Forst bricht, fürchtet Lysette Mendum um ihr Leben. Jahrtausende lang waren der fast eine Million Hektar große Forst und andere Waldgebiete im südöstlichen Kamerun der traditionelle Lebensraum ihrer Ethnie, der Baka-Pygmäen.

Doch die Regierung in Jaunde ist seit dem Jahr 2000 dabei, die etwa 35.000 kleinen Waldmenschen, die als Sammler und Jäger ihr Auskommen haben, im Interesse der Bergbau- und Holzindustrie aus den Wäldern zu verbannen. Sie sollen sozial integriert werden.

"Die Regierung und einige Weiße haben uns gezwungen, das Herz des Ngoyla-Mintom-Forstes zu verlassen und uns in diesem Dorf am Waldrand angesiedelt", berichtete die verwitwete Mutter dreier Kinder gegenüber IPS. "Jetzt dürfen wir den Wald nur tagsüber betreten und müssen abends zurück sein", klagte sie.

Umweltorganisationen halten die großzügige Vergabe von Nutzungslizenzen für Bergbau- und Holzkonzerne für bedenklich. Nach statistischen Angaben des Forstministeriums sind von den 22,5 Millionen Hektar Waldflächen des zentralafrikanischen Landes 17,5 Millionen Hektar oder knapp 78 Prozent als nutzbar ausgewiesen. Für 7,5 Millionen Hektar hat die Regierung bereits Explorationskonzessionen vergeben. Im Unterbezirk Ngoyla, zu dem auch Mendums Dorf gehört, hat ein australischer Bergbaukonzern Förderrechte erworben.

Nach Informationen aus dem Forstministerium wurden lediglich 20 Prozent der 17,5 Millionen Hektar produktiver Waldflächen dem Naturschutz vorbehalten und als Tierreservate, Nationalparks, Schutzzonen für die Artenvielfalt und Jagdgebiete ausgewiesen.

"Die Regierung will das Land bis 2035 zu einer starken Wirtschaftsmacht entwickeln und überlässt seit dem Jahr 2000 überaus großzügig Holz- und Bergbaukonzernen Nutzungslizenzen", kritisierte David John Hoyle, Naturschutzdirektor des 'World Wide Fund for Nature' (WWF), im Gespräch mit IPS. "Dadurch haben auch die Baka-Pygmäen den Zugang zu den Wäldern verloren, den sie seit jeher als ihr angestammtes Recht betrachten", sagte er.

Das Jagen sowie das Sammeln von Heilkräutern, wilden Früchten, Honig, Knollen und Wurzeln ist den Baka nur noch im Rahmen des Eigenbedarfs erlaubt. Verkaufen dürfen sie sie nicht. "Woher sollen sie denn jetzt das Geld nehmen, um ihre Kinder zur Schule zu schicken?" kritisierte Samuel Naah Ndobe, Leiter des Kameruner Zentrums für Umwelt und Entwicklung. "Die Regierung will die Baka dazu bringen, sich entlang der Hauptstraßen des Landes als Ackerbauern niederzulassen. Doch das dazu benötigte Land wird von der Ethnie der Bantu beansprucht."

In Kamerun verbietet ein Gesetz zum Schutz von Wald, Fischerei und Wildschutz aus dem Jahr 1994, dass Menschen in geschützten Waldgebieten einschließlich Naturparks und in für den Holzeinschlag frei gegebenen Gebiete leben.

Der im Forstministerium für Naturschutz zuständige Direktor Mfou'ou Mfou'ou betonte gegenüber IPS, die Regierung arbeite mit Partnern zusammen, um eine nachhaltige Waldwirtschaft zu gewährleisten. "Auch die Rechte der Baka werden dabei berücksichtigt", betonte er. Sein Ministerium habe mit dem Sozialministerium vereinbart, im Rahmen eines Programms über 1,7 Millionen US-Dollar für die soziokulturelle und wirtschaftliche Integration der Baka in die Gesellschaft zu sorgen. Dazu gehöre auch der Aufbau einer besseren Infrastruktur mit Schulen und Gesundheitszentren, versicherte er.

Doch die Baka wehren sich weiterhin gegen die Einschränkung ihrer traditionellen Nutzungsrechte der Wälder. "Sollen sie doch kommen und uns töten, wir werden nicht davonlaufen", erklärte Lysette Mendum, "Unser Leben ist vom Wald abhängig."

Im WWF haben die Pygmäen einen Verbündeten gefunden. Die Organisation verhandle im Rahmen ihres Programms für den südöstlichen Jengi seit dem Jahr 2000 mit etlichen Holzkonzernen über Zugangsrechte für die Baka zu geschützten Waldgebieten und habe dabei einige Fortschritte erzielt, berichtete Hoyle.

So habe der WWF mit der Regierung eine Absichtserklärung ausgehandelt, die den Baka ein Zugangsrecht zum Boumba-Bek-Nationalpark einräumt. Dort dürfen sie sich auch zu ihren Riten zu Ehren ihres guten Waldgeistes Jengi versammeln, die traditionell nachts stattfinden.

Nach Ansicht von Naah Ndobe bleibt in Kamerun jedoch weit mehr zu tun. Er hält die Erarbeitung eines Konzepts für dringend erforderlich, das besondere Strukturen und Maßnahmen enthält, die die Rechte der Baka nachdrücklich unterstützen.(Ende/IPS/mp/2012)


Links:

http://www.wwf.org/
http://www.fsc.org/
http://www.cedcameroun.org/
http://www.ipsnews.net/2012/06/cameroons-baka-evicted-from-forests-set-aside-for-logging/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2012