Schattenblick →INFOPOOL →SCHACH UND SPIELE → SCHACH

SCHACH-SPHINX/04998: Vernunft oder Phantasie? (SB)


Der Phantasie sind Tür und Tor geöffnet, wo die Vernunft in die Einbahnstraße führt, heißt es. Ganz so drastisch verhält es sich natürlich nicht. Die Dinge liegen, im Vertrauen gesagt, enger beieinander, als die Vertreter beider Sphären es sich vielleicht wünschen. Wo Vernunft waltet, hat ein jeder Gedanke seinen Platz, von wo aus er sich fädenziehend mit anderen Gedanken zu kleinen Geschichten und Zusammenhängen formieren kann. Die Phantasie tut nichts anderes. Auch sie nimmt aus dem Beutel des Gegebenen einige Gedanken heraus und fügt sie zu teils schrillen, teils abstrakten Gebilden zusammen. Im Kern wiegt der Unterschied also kaum ein Körnchen. Nur daß sich die Phantasie bei der Erstellung neuer Figuren einen größeren Entfaltungsraum hinsichtlich ihrer Schöpfungen nimmt. Die Vernunft wandelt auf kurzen, normativ logischen Wegen, hingegen die Phantasie auf Pfaden mit künstlerisch freierer Logik. Form und Augenmaß variieren also. Diesen kleinen Widerspruch hatte Friedrich Schiller 1794 ins Auge gefaßt, als er schrieb: "Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte und mitten in dem Reich der Gesetze baut der ästhetische Bildungstrieb unvermerkt an einem dritten, fröhlichen Reiche des Spiels und des Scheins, worin er dem Menschen die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und ihn von allem, was Zwang heißt, sowohl im Physischen als auch im Moralischen entbindet." Reichlich phantastisch war jedenfalls auch der Einfall von Meister Brabek, der im heutigen Rätsel der Sphinx mit den schwarzen Steinen im guten Glauben darauf, daß gegen 1...Sb6xd5? nichts Vernünftiges einzuwenden sei, eine bittere Niederlage einstecken mußte. Also, Wanderer, auf deinen Wegen durch die Reiche von Vernunft und Phantasie, was hatte Meister Brabek übersehen?



SCHACH-SPHINX/04998: Vernunft oder Phantasie? (SB)

Meduna - Brabek
CSSR 1980

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Meister Iwantschuk brauchte sich um seine bedrohte Dame keine Sorgen zu machen und löste den gordischen Knoten einfach mit 1...Sc4xe3!, worauf sein englischer Kontrahent Short nach einigen belanglosen Zügen aufgab: 2.Ta1xa4 Tb4-b1+ 3.Le2-d1 Tb1xd1+ 4.Dd4xd1 Se3xd1 - schließlich hatte er bei der Abwicklung eine ganze Figur eingestellt.


Erstveröffentlichung am 26. Mai 2001

23. Januar 2014





Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang