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SCHACH-SPHINX/05001: Tage der Feindschaft (SB)


Wer erinnert sich nicht trüben Herzens an die Weltmeisterschaftskämpfe von 1978 und 1981 zwischen Anatoli Karpow und seinem Erzrivalen Viktor Kortschnoj? Durch die Presse geisterten damals die schlimmsten Meldungen von unversöhnlichem Haß der beiden Kontrahenten sowie heftigen verbalen Attacken. In der Aufgebrachtheit der Stimmungen schimpfte Kortschnoj seinen Gegner angeblich "Hosenscheißer" und "Ungeziefer". Die Lage war gespannt, und nur durch besonnene Maßnahmen von Seiten der Schiedsrichter und von Freunden, die beiden Streithähnen ins Gewissen redeten, konnte der Wettkampf schließlich mit geringer Rufschädigung für die FIDE über die Bühne gebracht werden. Die Tage alter Feindschaft sind begraben. Karpow hat sich mit Kortschnoj zwar nie ausgesöhnt, aber beide brauchen nicht mehr mit den Zähnen zu knirschen, wenn sie einander erblicken. Und Kortschnoj selbst, der "Schreckliche", wie ihn seine Feinde und auch Freunde nennen, dazu: "Ich kann Feindseligkeit nicht ewig ertragen. Andererseits kann ich einfach nicht verwinden, daß er mich damals nur mit Hilfe seines Parapsychologen Suchar bezwungen hat. Außerdem bin ich überzeugt, daß Karpow in seinen Spielen gegen mich und später auch gegen Kasparow unerlaubte Medikamente bekommen hat. Das ist wie eine Wunde in meiner Seele." Es hat also den Anschein, daß zumindest Kortschnoj die alten Tage der Feindschaft noch nicht gänzlich überwunden hat. Einer von Kortschnojs Freunden, der Holländer Paul van der Sterren, ist dagegen die Ruhe in Person. Niemand hat ihn je in Rage gesehen. Selbst bei eklatanten Formfehlern verzieht sich nur sein Mund ein wenig, dann hat er sich auch schon wieder gefangen und seinem Gegner verziehen. In seiner Partie gegen den Münchner Gerald Hertneck beispielsweise unterlief ihn ein garstiges Mißgeschick, als er mit seinem letzten Läuferzug einen schwarzen Bauern auf d3 verschlang, weil er sich nach 1...De7-e3+ 2.Kg1-h1 Le2xd3 3.Td2xd3 auf der Grundreihe sicher fühlte. Was hatte van der Sterren im heutigen Rätsel der Sphinx völlig aus den Augen verloren, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05001: Tage der Feindschaft (SB)

van der Sterren - Hertneck
München 1994

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Die weit vorgerückten weißen Bauern auf dem Königsflügel brachten nach 1.h5-h6! Lg7-h8 2.g4-g5 Sf6-h5 die schwarzen Figuren völlig durcheinander, so daß unser Fernschachfreund Kummer - entgegen der Bedeutung seines Namens - in freudiger Siegesstimmung die Partie kurz und bündig beenden konnte: 3.Sd6xb7 Da5-c7 4.Sc3-d5! und die fürchterliche Mattdrohung 5.Sd5-e7# zwang seinen Kontrahenten Stöckigt zur sofortigen Aufgabe.


Erstveröffentlichung am 27. Mai 2001

26. Januar 2014





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