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SCHACH-SPHINX/05038: Jede Schliche besitzt eine Gegentücke (SB)


Jede Figur hat ihren individuellen Reiz, doch obgleich sie mit verschiedener Stärke gesegnet sind, entfaltet sich ihre eigentliche Macht erst auf dem Brett. Ein Bauer kann dann plötzlich so stark werden wie zwei Damen zusammengenommen. Die größte Faszination geht jedoch vom Springer aus, dieser "Teufelsfigur mit der Schläue einer ganzen Hölle". Von dieser Figur fassungslos fasziniert war auch der russische Großmeister David Bronstein. Nach Ende eines Turniers sah man ihn noch vor einem Brett sitzen, den Blick tief versunken in einem unergründlichen Niemandsland. Was da vor ihm stand auf dem Brett war jedoch nicht eine hochkomplizierte Stellung, kein Problem von schwindelerregender Brisanz, auch nicht ein Endspiel mit einem verwirrenden Gewinnpfad, nein, eine einzige Figur saß einsam mitten auf dem Brett, und es war ein Springer. Was immer Bronstein, dessen Vorliebe für diese Figur bekannt war, sah, welche Einsichten seine Gedanken auch immer erhellten, als er aufstand und der Saaltür zustrebte, nahm er sein Geheimnis für immer mit. Denn als man ihn fragte, worüber er solange nachgegrübelt hatte, lächelte Bronstein kurz mit einem versonnenen Glanz in den Augen und erklärte, daß ihm der Springer gelehrt habe, daß man manchmal über etwas hinwegspringen muß, um weiterzukommen. Philosophischer Disput mit einem Springer? Durchaus weltlich ging es dagegen in der Partie zwischen Michenka und Prandstetter zu. Weiß hatte zuletzt mit 1.Td1xd3?! c4xd3 2.La2-b1 einen Turm für einen Läufer geopfert und hoffte nun, seine beiden Läufer lanzengefährlich aktivieren zu können, allein, jede Schliche besitzt eine Gegentücke. Willst du das heutige Rätsel der Sphinx lösen, Wanderer, so besinne dich auf den Springer!



SCHACH-SPHINX/05038: Jede Schliche besitzt eine Gegentücke (SB)

Michenka - Prandstetter
Prag 1993

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Meister Zakic machte sich die offene h-Linie raffiniert zunutze und zog 1.Th4-h7! mit der tödlichen Drohung 2.Th7xg7+! Kg8xg7 3.Dd2-h6+ Kg7-g8 4.Dh6-h8# Also schnappte sich sein Kontrahent Susilic den Turm mit 1...Sf6xh7. Doch nur kurz war die Gegenwehr, denn nach 2.Ld4xg7 erkannte er schreckvoll, daß er nicht 2...Kg8xg7 spielen durfte wegen 3.Dd2-h6+ Kg7-f6 4.e4-e5+! Kf6xe5 - 4...Kf6-f5 5.g2-g4+ Kf5xe5 6.Th1- e1+ Ke5-f6 7.Sc3-e4+ Kf6-e5 8.Se4-d2+ mit Damenfang - 5.Th1- e1+ Ke5- f5 6.g2-g4+ und wieder mit Damenfang. Also zog Meister Susilic 2....f7- f6, aber nach 3.Dd2-h6 verging ihm die Lust auf eine lange Agonie, und so gab er auf.


Erstveröffentlichung am 07. Juni 2001

04. März 2014





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