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SCHACH-SPHINX/05396: Fehlende Luftlöcher (SB)


Nichts ist wichtiger für einen rochierten König als ein Ausguck auf die Stellung, groß genug, um hindurchzuschlüpfen, wenn ein gegnerischer Turm oder die Dame in die Grundreihe eindringt und Schach bietet. Fehlt ein solches "Luftloch", wie der Schachterminus dazu sagt, geht der eigene König am Grundreihenmatt zugrunde. Eine solche latente Schwäche kann auch zum Dreh- und Angelpunkt einer siegreichen Kombination werden. Irgendwo abseits kommt es dann zu einem Abtausch und plötzlich, mit einer Richtungsänderung, wendet sich die feindliche Armee dem eigentlichen Ziel ihres Angriffs zu. Viele Spieler vermeiden es, ein Tempo zu verlieren, um für ein Luftloch zu sorgen, unterschätzen auch die Gefahr, bis die Katastrophe nicht mehr zu verhindern ist. So geschehen in der Partie zwischen Bernstein und Capablanca. Betrachten wir die Diagrammstellung. Im Grunde besitzt keiner der beiden Könige ein Luftloch und doch war es die weiße Majestät, der dies Versäumnis auf die Füße fiel, denn als Bernstein nun mit 1.Sd4-b5 Tc7-c5 2.Sb5xc3? glaubte, den vorgerückten schwarzen Freibauern ganz ungeniert einkassieren zu können, war er prompt auch schon ins Fettnäpfchen getreten. Die Schwäche der Grundreihe nutzte Capablanca im heutigen Rätsel der Sphinx für eine geschickte taktische Finesse. Also, Wanderer, was trug sich seinerzeit in Moskau zu?



SCHACH-SPHINX/05396: Fehlende Luftlöcher (SB)

Bernstein - Capablanca
Moskau 1914

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Oftmals entscheidet ein Freibauer, auch wenn das materielle Konto des Gegners Gewinne verbuchen konnte. Der russische FIDE-Weltmeister Anatoli Karpow war jedenfalls so frei, nach dem letzten Zug seines ungarischen Kontrahenten Lajos Portisch 1.Dd3-c4 mit 1...d4-d3 den gewinnbringenden Vorstoß zu unternehmen. Als Portisch seinen Abtauschplan weiter verfolgte und 2.Dc4-c5 zog, ging ihm zu spät auf, daß Karpow mit 2...d3-d2! den Sieg schon in der Tasche hatte. 3.Dc5xd6 scheiterte nun an 3...d2xe1S+! Dies hatte Portisch offenbar übersehen, der wohl nur 3...d2xe1D? 4.Dd6xd8+ nebst 5.Th1xe1 ins Auge gefaßt hatte. Also zog Portisch erzwungenermaßen 3.Te1-d1, streckte jedoch nach 3...Dd6-d3! die Waffen. Die Drohung 4...Dd3-f3+ war nicht mehr vernünftig zu parieren, zum Beispiel 4.Dc5-f5 Dd3-e2+ 5.Df5-f2 De2xe4+ 6.Kg2-g1 Sc6-e5! 7.Td1xd2 Se5-f3+! 8.Df2xf3 g4xf3! 9.Td2xd8+ Kb8-a7 und Karpow gewinnt durch die Drohungen 10...De4-e1+ oder 10...De4-e2. Sinnlos wäre auch 4.Th1-f1 gewesen wegen 4...Sc6-d4!


Erstveröffentlichung am 21. März 2002

25. Februar 2015


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