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SCHACH-SPHINX/05527: Künstler versus Denker (SB)


Am 7. September 1842 wurde er in Lublin geboren, studierte Medizin in Breslau und zog dann nach London um. Eine bewegte Geschichte schrieb Johannes Hermann Zukertort, der zu seinen Lebzeiten neben Wilhelm Steinitz zu den schillernsten Persönlichkeiten der hehren Schachkunst gehörte. Er, der Künstler, Autodidakt auf vielen Gebieten, belesen, redegewandt, einfühlsam und ausgestattet mit einem immensen Inventar an Selbstvertrauen, mußte zwangsläufig und eher früher als später mit Steinitz kollidieren. Dieser, ganz Denker von Gemüt und von Wuchs und Ansehen mit einigen Handicaps behaftet, sah in Zukertort wohl so etwas wie einen lebenden Widerspruch zu seiner Erscheinung. Verschlimmert wurde diese versteckte Animosität noch dadurch, daß Zukertort im Londoner Turnier von 1883 mit deutlichem Vorsprung vor Steinitz den ersten Platz errang. Nun fand nach dem Match ein Abschlußabend statt, wo der Turnierdirektor vor versammelter Schachgenossenschaft sein Glas erhob und auf das Wohl des besten Schachspielers der Welt trank. Unter den anwesenden Schachmeistern fühlten sich zwei vor allen anderen angesprochen, Zukertort und Steinitz. Doch während Steinitz, der sich als Schachweltmeister titulierte, seinem Wesen nach nur eine bescheidene Schamesröte auf seine Wangen treten ließ, stand Zukertort auf und ließ sich mit einem feurig erregten Glanz im Gesicht als der vermeintlich Angesprochene hofieren. Der Streit war komplett. Steinitz lief weiß an, mehrere Schachmeister blickten verlegen zur Seite, und der Turnierdirektor schwieg betreten. Der Vorfall sollte ein Nachspiel haben. Steinitz forderte Zukertort offiziell auf, mit ihm um den Weltmeisterschaftstitel zu kämpfen, also darum, die leidige Frage, wer nun der beste Schachmeister auf dem Erdenrund sei, endgültig zu klären. 1886 war es dann soweit. Doch der an einem schwachen Herzen leidende Zukertort konnte im Wettkampf nur mit halber Stärke spielen und unterlag daher mit 10:5. Steinitz war zufrieden, Zukertort ein gebrochener Mensch. Als Zukertort zwei Jahre später an einem Schlaganfall starb, hieß es, die Anstrengungen des Kampfes hätten seine Lebenskraft völlig aufgezehrt. Das heutige Rätsel der Sphinx ist dem Londoner Turnier entnommen und zeigt die Partie zwischen Zukertort und dem englischen Meister Blackburne. Allem Anschein nach stand Zukertort kurz davor, mit den weißen Steinen eine Figur zu verlieren. Sollte Blackburne triumphieren, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05527: Künstler versus Denker (SB)

Zukertort - Blackburne
London 1883

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Christopher Lutz sollte seinen Zug 1.f2xe3 bitter bereuen. Ein Fehler mit Folgen, denn Wladirmir Kramnik zögerte nicht, mit 1...f4-f3! 2.De2- a2 f3-f2+ 3.Kg1-g2 Dd8-e8 4.Lc4-e2 Se5-g4 5.Le2-f3 Sg4xe3+ 6.Sd5xe3 De8xe3 7.Da2xf2 Ld7-h3+ 8.Kg2-g1 De3-c3 9.Ta1-e1 Lh6-d2 die weiße Stellung völlig zu entwerten.


Erstveröffentlichung am 26. Juli 2002

06. Juli 2015


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