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SCHACH-SPHINX/05528: Nichts ist lockender als Ruhm (SB)


Die Schaffenden unter den Künstlern waren zumeist die Gelackmeierten. Während diese ihre Seele an die Abgründe verloren, in die sie tauchten, um unsterbliche Werke in die Welt zu setzen, hatten ihre Nutznießer, die Schauspieler, Theaterdirektoren, Verleger und Händler, Nachlaßverwalter und Biographen, kaum solche Mühen zu ertragen. Friedrich von Schiller hatte da leicht reden: "Von des Lebens Gütern ist der Ruhm das Höchste doch. Wenn der Leib in Staub zerfallen, lebt der große Name noch." Der französische Dramatiker Pierre Augustin Caron de Beaumarchais, der mit seinen Lustspielen "Der Barbier von Sevilla" und "Die Hochzeit des Figaro" Weltruhm erlangte, wollte sich unterdessen mit Brotkrumen nicht zufriedengeben. In einer Denkschrift von ihm heißt es: "In den Foyers unserer Schauspielhäuser meint man: Es sei nicht edel von den Autoren, gemeine Geldfragen anzuregen, da ihre höchste Sorge doch sein soll, nach Künstlerruhm zu streben. Gewiß: Nichts ist lockender als Ruhm; nur vergißt man dabei, daß, wer sich seiner auch nur einmal im Jahr erfreuen will, von der Natur dazu verdammt ist, dreihundertfünfundsechzigmal im Jahr zu Mittag zu essen; und wenn der Krieger und der Staatsmann nicht erröten, den edlen Lohn für ihre Dienste einzuheimsen und immer höhere Grade anzustreben, die ihnen noch größere Einnahmen verschaffen, weshalb sollte der Sohn Apollons, der Sohn der Musen, der unablässig notgedrungen mit seinem Bäcker rechnen muß, just mit den Schauspielern nicht rechnen?" Beaumarchais war es zu verdanken, daß die Bühnenautoren nicht wie vorher üblich mit einer einzigen Honorarleistung für ihr Werk abgegolten wurden, sondern an jeder einzelnen Aufführung mitverdienen konnten. Als Mann der Freiheit mit durchaus materiellen Wurzeln unterstützte er den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mit immensen Waffenlieferungen und verdiente sich so eine millionenschwere Nase. Die meisten Schachkünstler allerdings lebten dürftig und manche starben gar in bitterer Armut. Diesen Widerspruch erkannt hatte auch Garry Kasparow, als er seine Profi-Organisation PCA gründete, um den mittellosen Schachspielern zu einem erträglichen Dasein zu verhelfen. Aber wie schon bei Beaumarchais dankten ihm dies die wenigsten. Im heutigen Rätsel der Sphinx zeigte er mit den weißen Steinen, daß bei ihm Geist und Materie nicht zweierlei Dinge sind. Mit 1....Sc6-b4 hatte sein Kontrahent Waganjan einen Ausfall gewagt, der ihm teuer zu stehen kommen sollte. Also, Wanderer, kannst du Heller und Heller zusammenzählen?



SCHACH-SPHINX/05528: Nichts ist lockender als Ruhm (SB)

Kasparow - Waganjan
Nowgorod 1995

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Anschein trog, denn Zukertort spielte kaltblütigen Sinns einfach 1.Dd2-b4!!, indes er wußte, daß nach 1...De7xb4 2.Lb2xe5+ Kh8xh7 3.Te3- h3+ Kh7-g6 4.Tf1-f6+ Kg6-g5 5.Th3-g3+ Kg5-h5 6.Tf6-f5+ Kh5-h6 7.Le5- f4+ Kh6-h7 8.Tf5-h5# folgen würde. Blackburne zog in der Partie daher 1...Tc8-c5, aber auch danach war das Matt nicht zu verhindern: 2.Tf1- f8+! Kh8xh7 3.Db4xe4+ Kh7-g7 4.Lb2xe5+ Kg7xf8 5.Le5-g7+! De7xg7 6.De4- e8#


Erstveröffentlichung am 27. Juli 2002

07. Juli 2015


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