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SCHACH-SPHINX/05538: Allium sativum (SB)


Die kulinarische Welt besteht aus zwei Lagern, denen, die den Knoblauch für ihr Leben gern essen, und denen, die auf ihre Fahnen geschrieben haben: Niemals möchte ich einen Mund in meiner Nähe haben, der nach Knoblauch riecht. Gottlob, sagen diese, daß Deutschland traditionell mit der Knolle des Allium sativums, so heißt Knoblauch nämlich im Lateinischen, nicht viel im Sinn hat. Da hat es nicht viel gebracht, daß das Jahr 1989 zum Jahr des Knoblauchs erklärt wurde, flankiert von medizinischen Gutachten, die seine gesundheitsfördernde Wirkung hervorhoben. Selbst in Kapseln konnte man den Knoblauch in jedem Reformhaus kaufen. Dunstwolken schlagen einem in Frankreich fast an jeder Straßenecke entgegen. Dort wird Knoblauch als wohlschmeckende Würzung vielen Gerichten beigemischt. Schlimm trifft es besonderns die Schachspieler mit Knoblauch-Aversion. Bei einem Turnier sitzt man sich bekanntlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Und das Atmen gehört nun einmal zur Grundausstattung aller Lebewesen. Also umschwebt ein feiner Duft, so sagen die einen, Gestank nennen es die anderen, das Schachbrett. Zwar hat man bei vielen Turnieren das Rauchen untersagt, aber die Freunde des Knoblauchs würden eher eine Palastrevolution anzetteln, als sich ihren Spaß am Essen verbieten zu lassen. So leidet mancher Schachspieler wehr- und willenlos unter den Attacken knoblauchgeschwängerten Atems. Schon der Legendenursprung der Knolle läßt ihre Mägen und Nasen rebellieren. Gott Wischnu, indisches Pendant zu unserem Wotan, war in den nebelhaften Urgründen der Zeit besonders hinter dem Nektar her. Also lud er seine Kollegen zu einem Fest ein. Aber nicht nur die Götter labten ihren Gaumen gern am Nektar. Auch die Dämonen waren wie wild hinter dem göttlichen Trank her. Also mischte sich einer dieser verwegenen Gesellen unter die göttliche Gästeschar und bekam auch einen Becher ab. Pech für ihn, daß er entdeckt und sogleich enthauptet wurde. Doch ein Tropfen des Nektars, der noch Lippen und Hals benetzte, fiel dabei zu Boden, und just an dieser Stelle gedieh im Nu eine Pflanze. Nun kann man sich denken, daß das, was aus Dämonenmäulern fließt, und sei es vordem Nektar gewesen, hinterher bestialisch stinkt und selbst die Fliegen Reißaus nehmen läßt. Gegen Ungeziefer und Vampire hilft es seitdem vortrefflich, wie man überall nachlesen kann. Doch sollte der amerikanische Meister Yassir Seirawan, wie einige Schelme behaupten, tatsächlich Knoblauch getankt haben, weil er sich damit im heutigen Rätsel der Sphinx bessere Chancen gegen den Engländer John Nunn ausrechnete, so half ihm das nun ganz und gar nicht. Seirawan, der zuletzt 1...Dc6-d6? gezogen hatte, fiel jedenfalls seinem eigenen Atem zum Opfer. Was hatte Meister Nunn gespielt, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05538: Allium sativum (SB)

Nunn - Seirawan
Toluca 1982

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der schwarze König war alles andere als sicher, denn als Alexander Aljechin seinen Turm mit 1.Th8-h1! Sf8-d7 2.Th1-a1 auf die andere Seite bugsierte, war gegen die Mattdrohung 3.Ta1xa4# nichts mehr zu erfinden.


Erstveröffentlichung am 06. August 2002

17. Juli 2015


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