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SCHACH-SPHINX/05624: Lockungen traumseliger Gefilde (SB)


Gedanken können ermüdend sein, insbesondere wenn man auf verschlungenen Pfaden wandern muß, und Morpheus' Wiesen sind ja so weich. Was spricht also dagegen, kurz anzuhalten und es sich in den Gefilden vergessenmachender Behaglichkeit gutgehen zu lassen. Seligkeit überströmt einem dort, und für lange Augenblicke fällt der Streß der Getriebenheit von den geplagten Schultern ab. Friede. Überquellende Phantasien. So ist es einst dem ungarisch-amerikanischen Großmeister Pal Benkö ergangen. In einer Partie, die für ihn nicht zum besten stand, und nach einer durchwachten Nacht schlief er doch tatsächlich am Brett ein. So hingebungsvoll war sein Schlummer, daß ihn niemand wecken mochte. Schon gar nicht sein Kontrahent, dessen Namen hier nicht erwähnt werden soll. Man könnte ihm sonst sportliche Unfairneß vorwerfen. Denn als Benkös Uhr tickte und tickte und seine Bedenkzeit mehr und mehr ablief, lauerte dieser auf den leichten Punktgewinn und schwieg. Ganz leise verhielt er sich, daß Benkö ja nicht erwachte. Ein Kontrast wie für die Götter. Dort, das lauernde Subjekt, das seinen Vorteil witterte, und hier, der in zarten Schlummerbanden gefangene Schachprometheus. Es kam, wie es kommen mußte, Benkö überschritt die Bedenkzeit, und erst jetzt, durch ein kräftiges Räuspern, scheuchte sein Kontrahent den ahnungslosen Schläfer aus den Traumgefilden auf. Sich die Augen reibend, erkannte Benkö den Verrat, war jedoch Sportsmann genug, kein Wort darüber zu verlieren, gratulierte seinem Gegenüber, und mag wohl für sich gedacht haben: 'Immerhin habe ich herrlich geschlafen!' Im heutigen Rätsel der Sphinx gegen Meister Horowitz war Benkö dagegen geradezu kombinationsfreudig wach. An dich nun die Frage, Wanderer, an welcher rauhen Kante stieß sich der schwarze König den Kopf?



SCHACH-SPHINX/05624: Lockungen traumseliger Gefilde (SB)

Benkö - Horowitz
New York 1968

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Meister Bukic fiel sinnbildlich aus dem Sattel durch das grandiose Turmopfer 1.Te1xe5+!! Dank der beiden olympischen Feuerrösser war der Turm nicht zu nehmen. Auf 1...Sd7xe5 wäre das Springermatt 2.Sd5-f6# gefolgt und auf 1...d6xe5 käme ein nicht minder reizvolles Schlußbild zustande: 2.Sd5-f6+ Sd7xf6 2.Td1-d8# Blieb für Meister Sibarevic nur noch 1...Lf8-e7, aber danach kam der weiße Turm erst recht in Rage und zerpflügte die schwarze Stellung: 2.Te5xe7+ Ke8-f8 3.Dh3-f5 Sd7-e5 4.Df5-f6 Th8-h7 5.Te7-e8+! Kf8xe8 6.Df6-d8#


Erstveröffentlichung am 30. Oktober 2002

11. Oktober 2015


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