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SCHACH-SPHINX/05639: Angelegenheiten des Marktwerts (SB)


Das Leben ist ein Beutelschneider, und insbesondere für Schachprofis. Durch Dornen wandern mußten die meisten von ihnen, lebten von der Hand in den Mund oder von dem, was ihnen der Zufall an Gefälligkeiten erwies. Eine Möglichkeit, sich ein kleines Zubrot zu verdienen, fanden sie in den Schachcafés, wo sie auf betuchte Schachliebhaber trafen. So mußte der erste jugoslawische Großmeister Milan Vidmar nahezu zehn Jahre das Gewand der Armut tragen, ehe er in San Sebastian 1911 gemeinsam mit Akiba Rubinstein dank des geteilten zweiten und dritten Platzes hinter José Capablanca seinen Durchbruch feiern konnte. Davor jedoch hieß es, seine Kunst, der Not beugend, im Kuriositätenkabinett des Café Central wie eine Ware feilzubieten. Im Herbst des Jahres 1902 betrat er erstmals dieses "Künstlerzimmer": "Im Café Central wurde ausnahmslos um Geld gespielt: eine halbe Krone die Partie. Die wohlhabenden Besucher des eigenartigen Schachzentrum Wiens bekamen so um billiges Geld das gesuchte Schachvergnügen, ihre notleidenden Partner schwer erkämpften, kargen Schacharbeitslohn. Es gibt eine Menge Berufsspieler, die gierig nach den erreichbaren halben Kronen schnappten. Es gab sogar solche Berufsspieler, die von einem Meister wohl einen Turm vorgegeben erhalten konnten: Auch sie fanden noch schwächere Partner, denen es nichts ausmachte, eine oder zwei Kronen auf dem Schachaltar zu opfern. Ich selbst war fast gezwungen, jeden Nachmittag etwa drei Stunden im Café Central zu spielen, denn ich mußte mir mein Abendbrot, für das die monatliche Unterstützung aus der Heimat nicht ausreichte, buchstäblich mit dem Schachspielen verdienen." So schwer hatte es der englische Meister Nigel Short nicht, Kunst und Lebensunterhalt unter einen Hut zu bringen. So blieb ihm der Rücken frei, um sich auf das Eigentliche zu konzentrieren, wie zum Beispiel darauf, den jugoslawischen Meister Ljubomir Ljubojevic im heutigen Rätsel der Sphinx gratis eine Schachlektion in versäumter Königssicherung zu erteilen. Also, Wanderer, welchen Obulus mußte der schwarze König zahlen?



SCHACH-SPHINX/05639: Angelegenheiten des Marktwerts (SB)

Short - Ljubojevic
Amsterdam 1988

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die Falle lächelte den deutschen Großmeister Wolfgang Unzicker zwar war verlockend an, doch dieser dachte gar nicht daran, sich nach 1...Sd5-f4?! 2.Le4xa8? Db8xa8 3.f2-f3 Sf4xe2+! 4.Tc2xe2 Se5-f3+ mit Haut und Haaren fressen zu lassen.


Erstveröffentlichung am 14. November 2002

26. Oktober 2015


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