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SCHACH-SPHINX/05666: Laskers ironischer Rat (SB)


Zeit ist Mangelware in einer Turnierpartie, und wer später durch Zeitnot in die Ecke gedrängt wird, verflucht seine Langsamkeit bitter. Um solchem Dilemma von vornherein zu begegnen, spielen die Meister in bester Zockermanie die ersten Züge fast blind herunter. Meistenteils wissen sich kennende Spieler ohnehin, wie der andere fortsetzt, wenn er sizilianisch verteidigt oder mit der Spanischen Partie eröffnet. Doch Vorsicht: Allzu robotisch ziehen, kann zum Verhängnis werden. Der Gedanke ist immer schneller als die Hand. Schon der ehemalige Weltmeister Emanuel Lasker hat daher halb-ironisch, halb-treffend geraten: "Wenn man Schach spielt, ist es zweckmäßig, sich gelegentlich das Schachbrett anzuschauen." Einen bösen Reinfall erlebte, unter vielen Beispielen eines herausgegriffen, der russische Meister Simon Alapin in Breslau 1889 gegen Siegbert Tarrasch. Blitzartig hatten beide 1.e2-e4 e7-e5 2.Sg1-f3 Sg8-f6 3.Sf3xe5 d7-d6 4.Se5-f3 Sf6xe4 gespielt. Für gewöhnlich folgt nun 5.d2-d4, doch Tarrasch verließ an dieser Stelle die ausgetrampelten Theoriepfade und zog 5.d2-d3. Alapin war jedoch so im Rausch, Zeit einzusparen, daß er gewohnheitsmäßig 5...Lf8-e7 zog und prompt eine Figur verlor. Nicht, daß nur die alten Meister in die Zeitfalle gingen. So geschah es Viswananthan "Speedy" Anand bei der Junioren-Weltmeisterschaft von 1987, daß er einem "untheoretischen" Zug zum Opfer fiel, als er den Zügen hinterherhastete. Laskers Rat sollte auf der Pupille eines jeden Turnierspielers eingeschrieben stehen. Der russische Meister Michail Gurewitsch hatte es jedenfalls auch mit den Augen, als er sich mit Weiß in das heutige Rätsel der Sphinx treiben ließ, aber sein Landsmann Sweschnikow konnte ihm durchaus die Augen öffnen. Dank welcher Kombination, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05666: Laskers ironischer Rat (SB)

Gurewitsch - Sweschnikow
Moskau 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Short raubte seinem Kontrahenten Kasparow von vornherein alle Angriffsabsichten, als er mit 1...Kh7-g6! 2.Ld2-c1 Kg6-h5!! seine schwarze Majestät einfach aus der Gefahrenzone brachte. Für Kasparow ging damit sein letzter Trumpf verloren, während Short nach 3.Tb8-a8 Da7-c5 4.Ta8-c8 Dc5xa3 5.g3-g4+ Lf3xg4 6.Tc8xc4 Da3-a1 seinen Vorteil zum Sieg verwandelte.


Erstveröffentlichung am 10. Dezember 2002

22. November 2015


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