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SCHACH-SPHINX/05755: Feminine Überheblichkeit? (SB)


Befragt man Schachspielerinnen danach, worin nun genau der Unterschied zwischen Männer- und Frauenschach bestünde, erntet man zumeist ein Achselzucken. In der Tat ist es schwer bis unmöglich, eine Trennlinie zu ziehen. Beide Geschlechter lernen aus denselben Büchern und benutzen in der Regel dieselben Strategien. Mehr als einmal sind hervorragende Kenner der Materie ins Fettnäpfchen getreten, wenn sie bestimmen sollten, ob eine Partie von einem Mann oder einer Frau gewonnen wurde. Nicht selten lag die Antwort genau andersherum. Auch das so wohlgehütete Argument, Frauen würden eher zurückhaltend und auf den Vorteil bedacht spielen, wohingegen Männer zu risokoreichen Manövern neigen, geht an der Wirklichkeit vorbei. Die Meisterinnen des Metiers haben da ihre eigene Meinung, charmant zwar, aber nichtsdestoweniger das altgewohnte Klischee wiedergebend. So erklärte beispielsweise die ehemalige Frauenweltmeisterin Maja Tschiburdanidse in einem Interview mit der Schweizer 'Schachwoche': "Männer werden immer besser Schach spielen. Da ist abstraktes Denken von Vorteil. Das liegt ihnen mehr als uns Frauen. Wir denken mehr konkret." Feminine Überheblichkeit gegenüber einer als realitätsfern, also abstrakt zugeordneten Welt der Männer? Nun sind abstrakt und konkret sicherlich kaum ausreichende sprachliche Mittel, um eine Schachpartie zu meistern. Das sogenannte Konkrete spiegelt lediglich in einem etwas anderen Sinne die Wirklichkeit als Zerrbild in die Interessenslage des Betrachters zurück. Nun ginge der Wurf reichlich daneben, wollte man eine Krücke mit dem Gehen vergleichen. Auf eine kurze Formel gebracht: Derjenige gewinnt in einer Schachpartie, ob nun männlich oder weiblich, der seine eigene Unzulänglichkeit im Frontverlauf zur Schwierigkeit am effektivsten verwirklichen kann. Daß Maja Tschiburdanidse durchaus im konkreten Sinne gegen ihren männlichen Kontrahenten Martin Fette verlor, beweist das heutige Rätsel der Sphinx. Also, Wanderer, Tschiburdanidse hatte zuletzt mit dem Springereinschlag auf g2 recht abstrakt gezogen.



SCHACH-SPHINX/05755: Feminine Überheblichkeit? (SB)

Fette - Tschiburdanidse
Berlin 1988

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Karpows Malheur mit seinem letzten Zug 1...Tc8-d8? rächte sich bitter an ihm. Für Kasparow war es ein leichtes, die Widerlegung zu finden: 2.Dg4xd7! Td8xd7 3.Te1-e8+ Kg8-h7 4.Ld5-e4+ g7-g6 5.Td1xd7, und da Karpow nach 5...Lb7-a6 6.Le4xc6 eine weitere Figur verloren hätte - schließlich verbot sich 6...Df6xc6?? wegen 7.Td7xf7# - gab er die 11. Wettkampfpartie sogleich auf.


Erstveröffentlichung am 09. März 2003

23. Februar 2016


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