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SCHACH-SPHINX/05850: Credo quia absurdum! (SB)


Das Stelzbein Tartakower hatte sich in den 20er Jahren zum Sprachrohr der alten Meister aufgeschwungen. In einer Kriegserklärung gegen die damals im Aufkeimen befindliche Hypermoderne Schachschule, die wesentlich von Richard Réti und Gyula Breyer ins Leben gerufen wurde, griff der österreichische Großmeister die neue Denkrichtung im Schach der Nachkriegsära vehement an. Deren Ziele und neuen Ideen standen den dogmatischen Thesen eines Lehrmeisters wie Siegbert Tarrasch diametral entgegen. Statt wie in gewohnter Manier das Zentrum mit der Gewalt von Bauern und Figuren zu besetzen, ging der sogenannte hypermoderne Ansatz von der Vorstellung aus, daß das Zentrum nicht zwangsläufig besetzt werden mußte, um es zu kontrollieren. Durch Flankensicherung und Fianchettierung zuweilen beider Läufer trachtete ihr System nach der Beherrschung der langen Diagonalen, um Druck auf das gegnerische Zentrum auszuüben. Tartakower wetterte in seinem Buch "Am Baume der Schacherkenntnis" spöttisch-anklagend gegen die Vertreter dieser neuen Stilrichtung: "Doch hat auch das Schach seinen Kubismus aufzuweisen, dessen Haupt-Repräsentaten Aljechin und Bogoljubow, Breyer und Réti insbesondere im Jahre 1920 großartige Kampferfolge vor altbewährten Größen (wie Rubinstein, Tarrasch, Maroczy und andere) erzielten und hierdurch die Aufmerksamkeit der gesamten Schachwelt auf die jüngere Schule lenkten, deren Grundsätze bis dahin ein bloß sezessionistisches Dasein fristeten. Pläne, die uns nie erreichen, Anlagen, die der ganzen Partie ein krankhaftes Gepräge geben, Züge, die jedem Streben nach freier Figurenentwicklung hohnsprechen, Methoden endlich, die in der tückisch-endlosen Aufspeicherung latenter Spannkräfte das Heil suchen, werden in allem Ernst wissenschaftlich durchleuchtet, und es wird durch sie sogar die Lösung jahrhundertelanger Geheimnisse verheißen. Nicht aus Ausbauen, sondern das Verbauen der Stellung wird als Siegesparole ausgegeben. Umgeworfen werden die angeblich entlarvten Götzen der alten Schule, die beliebtesten Eröffnungen scheinen widerlegt; das Vierspringerspiel - kompromittierend, und überhaupt (also predigt Breyer in einer von ihm veröffentlichten Abhandlung) dürfte schon nach dem Zug 1.e2-e4 die weiße Partie in den letzten Zügen liegen! Credo quia absurdum!" Bei aller Häme unterließ es Tartakower in späteren Jahren nicht, von der Lockspeise der Hypermodernen zu naschen, und es ist ihm dabei beileibe nicht schlecht bekommen. Bereits 1913 schimmerte in Breyers Partien etwas von der umwälzenden Genialität seiner späteren Thesen durch. Im heutigen Rätsel der Sphinx war es Meister Asztalos, der vom Breyers taktischem Geschick überrollt wurde. Also, Wanderer, wie verschaffte sich Breyer mit den schwarzen Steinen entscheidenden Vorteil?



SCHACH-SPHINX/05850: Credo quia absurdum! (SB)

Asztalos - Breyer
Debrecen 1913

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Nach 1.Kg1-f1 folgte prompt die taktische Bestrafung in Form von 1...Te7xe2! 2.Te1xe2 d4-d3 3.Dc2-b3 d3xe2+ 4.Kf1-e1 Dc4-e4! und wegen der Schlagetot-Drohung 5...De4-h1+ gab Weiß auf. Mit solchen Extravaganzen gewann Miles die Herzen der englischen Schachfreunde im Fluge.


Erstveröffentlichung am 11. Juni 2003

28. Mai 2016


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