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SCHACH-SPHINX/06048: Zirzensisches Vergnügen (SB)


Arena frei für das moderne Schach werden wohl künftig spöttische Gemüter ausrufen. Mit Artisten auf dem Brett konnte das Königliche Spiel bisher immer aufwarten, und seine Clowns hatte es auch. Was ihm bis jetzt fehlte, war die entsprechend farbig schillernde Bühne des Absurden. Doch in Groningen hat sich die FIDE nun kurzerhand selbst übertroffen. Auf den Zeitgeist schielend, der beflissentlich Langmütigkeit mit plagender Langeweile verwechselt und ein Musikstück zum Oldie degradiert, nachdem es in das eine Ohr hinein- und aus dem anderen herausfliegt, werden in der holländischen Traditionsstadt die Großmeister durch die Turnierrunden gepeitscht, ein Getrappel, das einem die Sinne schwinden, damit innerhalb weniger Wochen der Herausforderer für Weltmeister Anatoli Karpow pünktlich zur Stelle ist für den Drahtseilakt, der die Menge dann zu Staunensrufen reizen soll. Die Geschwindigkeit macht neuerdings wohl die Kunst aus. Legen wir die Traditionen ab. Wozu sich noch lange an Gesichter erinnern, auf denen Geschichte geschrieben wurde. Rascher Wechsel, am besten bis zur Besinnungslosigkeit beschleunigt, erst läßt die Atmosphäre knistern. Im Vorbeiflug am liebsten genießt der Banause. Geht denn die Kultur derart stiften, daß Sinn nur noch macht, was keine Tiefe mehr erkennen läßt? Auch auf den Verdacht altmodisch zu wirken: Sechs Partien entscheiden also, wer sich die Krone aufs Haupt setzen darf und wer nicht. Selbst bei einem Turnier mit hoher Kategorie spielt man mehr Partien. Wird es bald auch Turnierweltmeister geben? Wie dem auch sei, das heutige Rätsel der Sphinx wird der Zeitgeist nicht antasten. Und so an dich die Frage, Wanderer: Wie beseitigte David Bronstein mit den weißen Steinen das drohende Matt und gewann selbst?



SCHACH-SPHINX/06048: Zirzensisches Vergnügen (SB)

Bronstein - Kortschnoj
Moskau 1962

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Zug, der nach 1...Dc5-h5 die Schachwelt in Erstaunen versetzte und zur Niederlage von Capablanca führte, war 2.Sf3-d4!! Die Schönheit dieses Zuges zeigte sich nach 2...Le4xg2 3.Kg1xg2 im verbotenen Figurenraub 3...Te8xe3? 4.f2xe3 Dh5xd1 5.Sd4-f5! und Weiß gewinnt sofort. Doch auch nach 2...Dh5-e5 3.Se3-c4 De5-c5 4.Sd4-c6 Ta7-c7 5.Sc4-e3 Sd7-e5 6.Td1-d5! siegte Richard Réti bravourös.


Erstveröffentlichung am 22. Dezember 2003

13. Dezember 2016


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