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SCHACH-SPHINX/06057: Der Erkenntnis zuliebe sei gesagt ... (SB)


Der vermehrte Umgang der Schachspieler mit Turnieren hat zweifelsohne zu einer Steigerung der kreativen Denkkraft geführt. Kombinationen von schillernder Schönheit, tiefes Verständnis der Positionen, feines Abwägen von Materiel- und anderen Wirkkomponenten einer Partie, all dies steckte im vergleichsweise turnierärmeren 19. Jahrhundert noch in den Kinderstuhen. Und doch trifft der gern benutzte Vorwurf, die Meister der alten Zeit hätten stürmisch, aber nicht planvoll, intuitiv, kaum jedoch mit durchgehender Strategie gespielt, die Wirklichkeit ihres Denkens nicht. Daß die Spieler seinerzeit waghalsiger zu Werke gingen, viele zum Remis führende Chancen vergaben und überhaupt, wie gern beschworen, im Angriff Künstler, in der Verteidigung jedoch Stümper waren, hatte einen simplen Grund. Dieser lag in den Bedingungen, denen die Turniere unterworfen waren. Ein Remis wurde damals nämlich auf vielen Turnieren nicht gewertet. Wollte ein Meister einen vorderen Tabellenplatz ergattern, mußte er notgedrungen mutiger spielen. Für Remisklammerer und Zwerge der Beschaulichkeit war kein Platz. Wie in der Gesellschaft formten auch in der Schachkunst die vorherrschenden Bedingungen den Geist. Erst als später ein Remis mit einem halben Punkt zu Buche schlug, stieg das Interesse der Spieler an der Verteidigung. Was vorher keiner Aufmerksamkeit wert war, begann dann in ihrem Denken raumzugreifen bishin, daß die alten, dem Angriff verpflichteten Gambitsysteme aus der Mode kamen und lange, rein positionelle Eröffnungen die Oberhand gewannen. Noch ganz im alten Sturm-und-Drang-Geiste verlief das heutige Rätsel der Sphinx, wo Meister Winawer mit Weiß dank eines vorzüglichen Opferzuges die schwarze Königsburg in Schutt und Asche legte. Also, Wanderer, was übersah sah Kontrahent Riemann, als er zuletzt 1...De7-f7 spielte?



SCHACH-SPHINX/06057: Der Erkenntnis zuliebe sei gesagt ... (SB)

Winawer - Riemann
Berlin 1881

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Meister Gligoric befreite seinen Turm mit 1...Tc3-b3! aus der Fesselung, und prompt mußte sein Kontrahent Maric die Waffen strecken, denn er hätte entweder einen Turm oder die Dame verloren.


Erstveröffentlichung am 31. Dezember 2003

22. Dezember 2016


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