Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/06103: Wege des Mammon (SB)


Zwei Profile, die sich die Schachmeister geben: Das eine gleicht der Zartbesaitetheit der Sinne. Hier will der Mensch den schuldigen Beweis erbringen, daß er die Natur verspotten darf, weil er sich dem Höhenflug des Kreativen verschreibt. Die Sterne sind sein Ziel, um aus der Wurzelhaftigkeit seines Daseins zu entfliehen. Er will seinen Füßen kleine Schwingen andichten und gleich dem Götterboten Hermes Verkünder edlerer Zwecke und Geschicke sein. Das zweite Profil ist banaler. Es fordert zum trivialen Vergleich der Geister auf. Wettkampf steht auf seiner Fahne und nur im Sieg über seinesgleichen erhebt es sich über den Durchschnitt. Höhere Ziele leugnet es. Allein im gewinnbringenden Ansehen sieht es den Nutzen des Schachspiels. Diesen Widerstreit der Masken hat kein anderer als der Ex-Weltmeister Emanuel Lasker heraufbeschworen, als er schrieb: "Durch einige romantische Enthusiasten ist das Schachspiel zur Wissenschaft oder Kunst erhoben worden. In Wahrheit steht das Schachspiel so hoch nicht. Sein wesentlicher Charakterzug - die menschliche Natur findet das meiste Ergötzen daran - ist Kampf. Freilich kein Kampf, der Nerven ungebildeter Menschen kitzelt, bei dem Blut fließen würde und Schläge ausgeteilt würden, die auf dem Leibe sichtbare Spuren lassen; das nicht; ein Kampf hingegen, wo das auch im Kampfe vorhandene Element des Wissenschaftlichen, Künstlerischen und Geistigen allein vorherrscht." Die Nachwelt folgte seinem Ruf, die Kunst verdorrte. Lasker muß als der Wegbereiter all dessen dekuvriert werden, was heutzutage so schmerzlich in der Stagnation des Schachspiels zutage tritt: Den Ausverkauf an den Götzen Mammon. Denn im Kampf, den Lasker heiligsprach, spiegelt sich der seit jeher so triebhafte soziale Überlebenswille des Menschen wider. Schade, daß Lasker nicht an die Zauberkraft der Flügel glaubte und so im Schatten bescheidener Träume blieb. Im heutigen Rätsel der Sphinx leuchtete aus seiner Partie gegen den Amerikaner Pillsbury durchaus so etwas wie ein anderes Profil hervor. Also, Wanderer, mit welchem Zug zwang Lasker den weißen König unters Joch?



SCHACH-SPHINX/06103: Wege des Mammon (SB)

Pillsbury - Lasker
St. Petersburg 1896

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
David Bronstein bewies seinen Sinn für Originalität, als er nach 1...Te5-e4 mit dem Damenopfer 2.Tf1xf5! Te4xh4 2.Tf5xd5+ Kd7-e6 3.Tc1- d1 Da6-c4 4.Td5-d6+ Ke6-e7 5.Td6-d7+ Ke7-f6 6.Lg3xh4+ Dc4xh4 7.Td1-f1+ Kf6-g5 ein hübsches Kampfremis erzwang.


Erstveröffentlichung am 14. Februar 2004

6. Februar 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang