SCHACH-SPHINX/06280: Unwegsamkeiten und Winkelverstecke (SB)

Der Reiz des Fernschachs liegt insbesondere darin, daß man ausgiebigst Zeit dafür hat, Neuland zu betreten und zu erforschen. In einer Nahschachpartie diktiert die Uhr das Geschehen, und will man zuletzt nicht in arge Zeitnot geraten, muß man sich tunlichst davor hüten, länger als unbedingt notwendig über einen Zug zu brüten. Auch entfällt die bei Nahschachspielern grassierende Furcht, in eine vorbereitete Variante zu geraten. Zuhause am Analysebrett bedient man sich so der umfangreichen Literatur und kann ungleich tiefer in die Unwegsamkeiten und Winkelverstecke einer Eröffnung hineingehen. In heutigen Rätsel der Sphinx mußte sich der schwedische Fernschachmeister Krantz als Nachziehender mit der Ponziani-Eröffnung 1.e2-e4 e7-e5 2.Sg1-f3 Sb8-c6 3.c2-c3 herumschlagen. Flugs kramte er alle verfügbaren Partien und Daten hervor, versenkte sich in das Material und fand endlich eine Lücke, die von der Theorie bisher nicht bemerkt worden war, und das, obwohl die von romantischen Winden umwehte Eröffnung bereits im 18. Jahrhundert vom italienischen Theoretiker Domenico Lorenzo Ponziani, Professor für Zivilrecht an der Universität Modena, gründlich untersucht worden war. Und das ist die Lektion aller Theoriemoral: Zuviele Lücken, um ein Gebäude felsenfest errichten zu können. In der Diagrammstellung mußte der Schwede noch die letzte Schwierigkeit überwinden. Also, Wanderer, wohin zog er den König und siegte drei Züge später?

Niedermayr - Krantz
Fernpartie 1981

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
So jung Maja Tschiburdanidse seinerzeit in Wilna auch war, ihre Hausaufgaben hatte sie vorzüglich gemeistert, und so bereitete es ihr keine große Mühe, ihren männlichen Kontrahenten Kaiszauri zur Aufgabe zu zwingen: 1.Kg3-g4 Td4-d1 2.Kg4-f5 Td1-f1 3.Kf5-g5 Ld5-c4 4.f4-f5 c7- c5 5.Kg5-f6 Tf1-c1 6.Te3-e8 Lc4-b3 7.Ta5-a6+ Kd6-d5 8.Te8-e5+ Kd5-d4 9.Ta6-d6+ Kd4-c4 10.Kf6-e7 Kc4-b4 11.Td6-b6+ Kb4-a3 12.f5-f6 und Schwarz gab auf, da der Freibauer Material kosten wird.

Erstveröffentlichung am 8. August 2004

2. August 2017

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