Wer der geschlossenen Variante der Spanischen Partie den Vorzug gibt vor dem offenen System, will im Grunde seines Herzens nichts von wilden Komplikationen wissen. Statt dessen quält er sich über lange Strecken durch die engen Gänge positioneller Kleinstarbeit. Seine Freude ist nicht der Sturm, sondern das Dahinplätschern eines milden Frühlingsregens. Und doch kennt auch der geschlossene Spanier, dieser Herr mit steifem Hemdkragen, einen wilden Tanz, nämlich das Marshall- Gambit, ein Spiel mit dem Feuer um die Seele eines Bauern. Der amerikanische Großmeister Frank Marshall war der Urheber des schließlich nach ihm benannten Bauernopfers, das, im achten Zug gebracht, aus dem zahmen Spanier einen leichtfüßigen Italiener macht. So kreuz und quer und dreist angreifend geht es zu, daß der Weiße ein guter Defensiv-Spieler sein muß, wenn er die Unaufhörlichkeit der schwarzen Drohungen Stück um Stück zurückdrängen und sich dann im Endspiel an seinem Mehrbauern erfreuen will. Der englische Großmeister John Nunn war in die Fußstapfen von Frank Marshall getreten. Indes ließ sich der deutsche Robert Hübner vom Kauderwelsh des Marshall- Gambits nicht beirren und setzte stur auf die Rationalität. Zu fürchten brauchte er das Gambit, wie es Nunn im heutigen Rätsel der Sphinx präsentierte, nicht, denn mit seinem nächsten Zug fand Deutschlands Nummer 1 die Schwachstelle im Plan seines Gegners. Also, Wanderer, was hatte Nunn in dieser Stellung übersehen?
Hübner - Nunn
Weltpokalturnier 1989
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
So nah am Sieg gestrauchelt, was für ein Jammer! Dabei hätte unser
Schachfreund René Borngässer mit 1.Sg5-f6+! Kg8-f8 2.Sf3-e5!! in allen
Varianten der Partie, so herrlich begonnen, den würdigen Schlußstrich
setzen können.
Erstveröffentlichung am 30. September 2004
24. September 2017
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