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SCHACH-SPHINX/06465: Französisches Fanal (SB)


Im 19. Jahrhundert wurden mehr als zwei Drittel der Turnierpartien mit dem Königsbauernzug eröffnet. Zum Damenbauer griffen zu jener Zeit nur wenige Meister, andere Eröffnungszüge hingegen belächelte man bloß. Alles Denken war auf die Besetzung des Zentrums fixiert. Die Idee der Flankeneröffnungen steckte noch nicht einmal in den Kinderschuhen. Auch die Anzahl der Erwiderungen des Nachziehenden auf den Zug 1.e2-e4 war beschränkt, die Dominanz der offenen Spiele stand außer Frage. So hatten die Französische und Caro-Kann-Verteidigung mit dem Vorurteil der Minderwertigkeit zu kämpfen. Seltsam, wenn man bedenkt, daß die Französische Verteidigung, die ihre Namensgebung einer Fernschachpartie zwischen London und Paris aus dem Jahre 1834 verdankt, zumal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchaus treue Freunde unter den Meistern hatte. Im Zuge der Internationalisierung der Turniere und Wettkämpfe überwogen indes die offenen Spiele mit 1...e7-e5. Ein krasses Beispiel dafür, wie Modeströmungen und tonangebende Spieler ihrer Zeit den Stempel aufdrücken können. Anderssen, Steinitz, Tschigorin, um nur einige der führenden Köpfe jener Ära hervorzuheben, waren keine Freunde der Französischen Verteidigung, die daher in der Gunst der Spieler erheblich sank. Erst im Jahrhundert darauf erlebte sie ihre Blüte. Kortschnoj, Short, Anand, Uhlmann, Waganjan und andere zerstreuten alle Zweifel an ihrer Ebenbürtigkeit gegenüber den Offenen Spielen. Im heutigen Rätsel der Sphinx feierte der sowjetische Meister Drejew mit der Französischen Verteidigung einen excellenten Sieg über seinen Landsmann Zeschkowski, der mit dem Königsbauern viele hervorragende Siege erringen konnte. Zeschkowski hatte eine Figur für Angriffschancen geopfert und zuletzt 1.Dg3-b8 gespielt. In dieser heißen Phase taktischer Möglichkeiten fand Drejew jedoch eine feine, entwaffnende Parade, die seinen Sieg sicherstellte, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06465: Französisches Fanal (SB)

Zeschkowski - Drejew
St. Petersburg 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Schlimm waren die Folgen von 1.b2-b3? für den sowjetischen Großmeister Awerbach. Daß gerade er, der mit seinen Mittelspielstudien sehr zur Entwicklung der Schachstrategie beigetragen hatte, so fehlgriff, läßt Laien aufatmen: Falsche Entscheidungen kann jeder treffen. Sein Kontrahent Petrosjan zeigte solche Geistesschwächen selten. Hier gewann er mit 1...Ta5-a2! 2.Dd1-e1 - 2.Lf3-e2 Da7-c5! und mindestens der weiße d-Bauer geht drauf - 2...Da7-a5 - es droht vernichtend 3...Lh6-d2 - 3.De1-b1 Ta2-a1 4.Tb4-b5 - 4.Tb4-a4 Da5xa4! - 4...Da5-c3! und Weiß gab auf, da seine Dame kein Fluchtfeld mehr hatte.


Erstveröffentlichung am 8. Februar 2005

3. Februar 2018


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