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SCHACH-SPHINX/06499: Tücken des Endspiels (SB)


Vom ersten Zug an aufs Matt spielen - klingt poetisch, ist, genaugenommen, jedoch kaum mehr als der prosaische Versuch, vor den Tiefen und Schluchten des Endspiels zu flüchten. Kein anderer Abschnitt der Partie hat die Schachspieler mehr in Verzweiflung gestürzt, sie im wilden Zorn die Haare raufen lassen, als ebendieses scheinbar so harmlose Endspiel mit dem Rest der Figuren, die die Schlacht des Mittelspiels überstanden haben. Die Grundmotive sind einfach, rasch zu verinnerlichen, aber die Abweichungen gehen ins Astronomische. Steht beispielsweise ein Bauer statt auf a3 auf a4, so ändert sich aufs geheimnisvollste der gesamte Zusammenhang der Stellung. Was eben noch gewonnen stand, kann plötzlich ins Gegenteil gewendet sein. Jeder Großmeister mußte auf seinem Weg zur Spitze Blut und Wasser schwitzen, ehe er von sich sagen konnte, ja, ich beherrsche auch das Endspiel - im großen und ganzen. Der Relativismus spricht Bände. Nichts ist bekanntlich schwieriger, als eine gewonnene Stellung zu gewinnen. Fürs Endspiel gilt diese Schachweisheit mit besonderer Schärfe. Jugendliche Enthusiasten werfen sich daher auch mit Vorliebe aufs Kombinatorische und beten inständig, den Kontrahenten noch vor dem Erreichen des Endspiels in die Knie zu zwingen. Wohl nur ein gereiftes Auge kann erkennen, welcher Zauber und welche verwickelte Mannigfalt an Irrwegen und Abwegen sich in diesem Partieabschnitt verbirgt. Im heutigen Rätsel der Sphinx gab der Pole David Janowski seine Partie gegen den Kubaner José Capablanca nunmehr auf im Glauben darauf, daß der weiße Mehrbauer den Ausschlag geben würde. Nun, Wanderer, er hatte eine feine Remisfolge glattweg übersehen.



SCHACH-SPHINX/06499: Tücken des Endspiels (SB)

Capablanca - Janowski
New York 1916

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Plötzlich schlug sie zu, die flammendheiße Siegeskombination, und unser Fernschachfreund Habermann fand am Brett bestätigt, was sich ihm mitten in die Gedanken hinein offenbart hatte: 1...Lc8-h3+! 2.Kg2xh3 Tf8-f1! 3.De1xf1 Dg5xe3 4.Ld1-f3 h5-h4! - der schwarze Angriff ließ sich von keinem Einwand abschrecken - 5.Tc1xc4 Tg7xg3+ 6.Kh3-h2 De3-f4 7.Kh2-h1 Tg3xf3 8.Df1-g1+ Tf3-g3 und Weiß gab auf.


Erstveröffentlichung am 13. März 2005

9. März 2018


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