Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/06508: Reinste Gedankenerschleichnis (SB)


Nun übt Hermann Hesses "Steppenwolf" unbestritten einen geheimnisvollen Reiz auf den Leser aus, wird er doch hineinentführt in eine Welt sonderbar-bizarrer Gestalten, voll des Freisinns und der Auflehnung gegen die erstickende Enge bürgerlicher Werte. Man liest und liest und fühlt sich zuweilen mit dem geheimnisvollen Einzelgänger tatsächlich verwandt. Sympathie durchströmt einem und hin und wieder möchte man gerne die Rollen tauschen, möchte selbst für entrückte Augenblicke in die Haut jenes Steppenwolfes schlüpfen. Die Buchseiten fliegen unter den Blicken hinweg, da plötzlich hält der Lesefluß inne, gebannt von den folgenden Zeilen: "Wir tragen hier keine Namen, wir sind hier keine Personen. Ich bin Schachspieler." Ins Bedeutungslose schwindet die hehre Schachkunst da. Verwandelt das Königliche Spiel seine Protagonisten in namenlose Geschöpfe? Augenblicklich setzt Grübeln ein. Soweit möchte man nun wirklich nicht gehen und den stolzen Bau der Persönlichkeit niederreißen. Ohne Namen und persönlichen Kern? Da kommt selbst dem gewieftesten Freigeist kalter Schauder an. Nun gut, das Schachspiel erhebt den Anspruch des All- Berechenbaren. Was sich nicht unter das Diktat der Rationalität zwingen läßt, scheint Aberglaube, reinste Gedankenerschleichnis zu sein. Nur der harte Boden der Realität trägt kräftige Füße, und wer im Wasser schwimmen möchte ohne Halt und Grenzen, sei eben ein Fisch. Sind Schachspieler nun Fische oder Steppenwölfe? Man vertröstet am besten die Antwort und begnügt sich mit der schlichten Feststellung, daß Hermann Hesse sicherlich ein begnadeter Schriftsteller gewesen war, aber eben nur ein drittklassiger Schachspieler. Auf namhafte Weise gewann im heutigen Rätsel der Sphinx dagegen Schachfreund Göhring. Sein Kontrahent Feustel spielte nun 1...Sf6xd5, darauf spekulierend, daß das Visavis von schwarzem Turm und weißer Dame kapitalträchtig sei. Nun, Wanderer, wie bestrafte Weiß die Fehlkalkulation?



SCHACH-SPHINX/06508: Reinste Gedankenerschleichnis (SB)

Göhring - Feustel
Bundesliga 1982

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Ja, der Tod ist der Gevatter des Schachspiels. Mit 1...f4-f3! 2.Sd2xf3 e4xf3 3.Td1xd8 wurde zunächst die schwarze Dame dem Untergang geweiht, um sich sodann nach 3...Tf8xd8 4.Tb1-d1 f3xg2+ 5.Kh1-g1 Td8xd1 6.De1xd1 Tc2-c1! am weißen König todbringend zu rächen. Weiß gab auf, da 7.Dd1xc1 Lg7-d4+ seinem König das Lebenslicht ausgelöscht hätte.


Erstveröffentlichung am 22. März 2005

18. März 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang