Der zartgliedrige Wassily Smyslow konnte zwar nur für ein Jahr auf dem Weltmeisterthron Platz nehmen, aber dennoch gab es in der Schachgeschichte nur wenige Großmeister mit einem solch einzigartigen Gespür für die versteckten Möglichkeiten in einer Schachpartie. Smyslow war, übertragen auf die Welt der Musik, mit der er sich tief verbunden fühlte, kein bombastischer Richard Wagner, sondern eher so feinsinnig wie Claude Debussy. Alles war in zarten Linien angedeutet, ohne daß es jedoch an Kraft und Dynamik gebrach. Nur bevorzugte Smyslow nicht die Methode mit dem Holzhammer. Max Euwe schrieb einmal über ihn: "Er erreicht sein Ziel nur weniger direkt, sondern sozusagen 'auf Schleichwegen', und deshalb ist Smyslow besonders gefährlich." Im heutigen Rätsel der Sphinx pirschte sich Smyslow an seinen Landsmann Michail Botwinnik heran, ganz leise, ohne daß dieser die Gefahr herankommen sah, und dann, als Botwinnik unbedarfterweise zuletzt 1.Tc1-b1? gespielt hatte, fiel plötzlich der Schatten der Niederlage auf ihn. Ein für Smyslow typischer Sieg, spinnenfein war das Netz, das er über Botwinnik warf, Wanderer.
Botwinnik - Smyslow
Moskau 1954
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Es geht nicht immer fair zu mit der Zeit, und Dan Cramling hätte sich
gewiß ein, zwei Minuten gewünscht, um mit 1...Se4-g3+ 2.Ke2-d3 Lb7xc8
3.Dd8xc8 e3-e2! seinen Gewinn zu realisieren.
Erstveröffentlichung am 16. November 2005
15. November 2018
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