Ungeduld ist die größte, verderblichste Leidenschaft für einen Schachspieler. Der innere Zwang, eine Partie auf Biegen und Brechen für sich zu entscheiden, wenngleich der Siegesweg nur über ein langwieriges Endspiel zu erzielen ist, verführt selbst gestandene Großmeister dazu, kopflos zu handeln und damit dem Kontrahenten unverhofft Chancen auf Rettung einzuräumen. Das heutige Rätsel der Sphinx ist ein typisches Beispiel für diese Art von Überhastetheit. Der argentinische Großmeister Miguel Najdorf führte die weißen Steine, und er hatte eine gewonnene Stellung. Mit 1.Ld6-e5! Lg7xe5 2.Te1xe5 Sd5-b4 3.Sd4xf3 Ta8xa2 4.Ta1xa2 Td8-d1+ 5.Kg1-h2 Sb4xa2 hätte er auf einen soliden Mehrbauern pochen und die Partie nach und nach, langsam, aber unwiderstehlich gewinnen können. Doch Najdorf verhaspelte sich und zog 1.Sd4-b5?, mit dem Ziel, den gefangenen schwarzen Läufer auf f3, der kein sicheres Rückzugsfeld besaß, zu erobern. Der Gedanke war verlockend, wurde jedoch durch eine bemerkenswerte Kombination seines Kontrahenten Wassily Smyslow durchkreuzt, Wanderer, der damit das Remis noch erreichen konnte.
Najdorf - Smyslow
Groningen 1946
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Ziel der weißen Kombination war natürlich der in der Mitte
steckengebliebene schwarze König. Nach 1...f7-f6 opferte Botwinnik mit
2.Dd3-g3! den Springer und eröffnete damit die Jagd auf Euwes
Majestät: 2...f6xe5 3.Dg3-g7 Th8-f8 4.Tc1-c7 Db6xc7 - war notwenig
geworden, da 4...Db6-d6 5.Tc7xb7 d4-d3 6.Tb7-a7 Dd6-d8 7.Dg7xh7 rasch
verliert - 5.Dg7xc7 Lb7-d5 6.Dc7xe5 d4-d3 7.De5-e3 Ld5-c4 8.b2-b3 Tf8-
f7 9.f2-f3! - umständlich wäre 9.b3xc4 Tf7-d7 10.De3xe6+ Ke8-d8
gewesen - 9...Tf7-d7 10.De3-d2 e6-e5 11.b3xc4 b5xc4 12.Kg1-f2 Ke8-f7 -
oder 12..c4-c3 13.Dd2xc3 d3-d2 14.Dc3-c8+ Ke8-e7 15.Dc8xd7+ Ke7xd7
16.Kf2-e2 - 13.Kf2-e3 Kf7-e6 14.Dd2-b4 Td7-c7 15.Ke3-d2 Tc7-c6 16.a2-
a4 und Schwarz streckte die Waffen.
Erstveröffentlichung am 19. November 2005
18. November 2018
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