Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


REZENSION/035: Jerzy Konikowski/Uwe Bekemann - Englische Eröffnung (SB)


Jerzy Konikowski/Uwe Bekemann


Englische Eröffnung

Band 1 Symmetrievariante




Buchcover: Englische Eröffnung. Band 1 Symmetrievariante - © by Joachim Beyer Verlag

Buchcover: © by Joachim Beyer Verlag

Die Deutschen haben bei der Namensgebung der Eröffnungen fast immer den Kürzeren gezogen. All die Mühe, die sich das "Siebengestirn" im 19. Jahrhundert gemacht hat, über etliche Jahre unermüdlich ein bestimmtes Eröffnungssystem bis weit hinter das Komma zu analysieren und zu systematisieren, aber letzten Endes setzte sich das imperiale Großbritannien durch. Nicht Deutsche Partie, Ruy Lopez im englischsprachigen Raum, wurde, was unter Spanische Partie heute zum Registerkonsens gehört. Mit der Bremer Partie nahm es einen ähnlichen Verlauf. Hier setzten die Briten ihren Willen sogar vollends durch mit der Englischen Eröffnung. Die Preußische Verteidigung im italienischen Spiel ist von den deutschen Schachdenkern noch überliefert.

Das Autorengespann Konikowski und Bekemann hat sich in dem Buch "Englische Eröffnung" als dem ersten Werk einer geplanten Serie mit der Symmetrievariante auseinandergesetzt. Wer nun erwartet, eine umfangreiche Ausarbeitung hierzu aufzuschlagen, wird im ersten Augenblick ein wenig enttäuscht sein. Nicht Abspiel reiht sich an Abspiel zu einer Kette. Vielmehr haben die beiden Autoren hinter ihrem Konzept ein elementares Verständnis dieser in der Turnierwelt eher seltenen Eröffnung präsentiert.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Sinn und Zweck jedes einzelnen Eröffnungszuges, aus denen die Idee und der Plan geschmiedet sind. Es geht den Autoren zufolge nicht darum, Zugfolgen abzuspulen, um dann irgendwann im Mittelspiel vor Rätseln zu stehen. Nichts könnte verlorener und zeitraubender sein, als zu spät zu erkennen, was man viel früher hätte begreifen müssen. Wer eine bestimmte Eröffnung spielt, sollte wissen, worauf er sich einlässt.

Diese Art des Vorgehens ist tatsächlich neu. Die Autoren begleiten den Leser vom ersten Zug an mit Sachverstand und profundem Wissen, ohne den Einsteiger in dieses System zu überfordern. In der Einführung stellen die Autoren all die möglichen Übergänge in andere Eröffnungs- und Verteidigungssysteme vor, wobei jede Stellungsstruktur ideentechnisch erläutert und in ein Konzept gebunden wird.

Zur Einführung gehören auch all jene Eröffnungsstrukturen, die nicht zu den Hauptlinien in der Turnierpraxis zählen, deren Kenntnis jedoch unumgänglich ist. Sodann sind alle weiteren Darstellungen ganz der Symmetrievariante gewidmet, die mit 1.c2-c4 c7-c5 2.Sb1-c3 gebildet wird. Nebengleise mit 2.Sg1-f3 sowie 2.g2-g3 erhalten eigene Kapitel, wobei auch randständige Abspiele nicht zu kurz kommen.

Bei der Darstellungsweise mag der Leser leicht ins Stolpern kommen, da sie, Untervariante an Untervariante gereiht, das Gedächtnis zuweilen überfordert und letztlich dem Hauptanliegen des Buches zuwiderläuft. Erst im dritten Kapitel begegnet man der Leitidee mit 2.Sb1-c3 Sb8-c6 3.g2-g3, was in der Praxis am häufigsten vorkommt.

Die Autoren überstrapazieren den Leser nicht mit einer Überfülle an Zugvarianten und sich in die Breite spreizender Strukturkomplexe. Konikowski und Bekemann bleiben sich darin treu, Pläne vorzustellen und vor möglichem Gegenspiel zu warnen. Im Grunde geht es um die Balance der Felder, die beide Seiten für sich beanspruchen.

Das macht das Buch empfehlenswert, dass der Leser in der Tat eine Idee davon bekommt, worum es in der Englischen Eröffnung gehen kann, ein System übrigens, dass eine Unmenge an flexiblen Manövern und Richtungen anbietet.

Das Autorenduo hatte in der Vergangenheit nach dem gleichen Stil behandelte Eröffnungskomplexe vorgestellt wie die offenen Spiele, die halboffenen Spiele, die Sizilianische Verteidigung, die Königsindische Verteidigung, das Damengambit und das Damenbauerspiel, so dass nunmehr die Englische Eröffnung zur logischen Konsequenz einlädt. Nicht die Tiefe macht den Buchinhalt aus. Wer hunderte Varianten büffeln will, von denen das meiste doch durch das Gitter fällt, sollte an diesem Buch vorbeigehen.

Dieses Buch will keine Enzyklopädie sein, wohl aber ein Kompass zur Orientierung in diesem Dickicht unterm Strich sehr interessanter Abspiele. Wer in die Tiefe will, muss durch die Oberfläche gehen. Der Horizont verspricht nur, wo dieses Buch Wort hält.

Der Rezensent legt es jedem ans Herz, denn vermeiden lassen sich die englischen Gefilde nicht. Wer sich nur auf die offenen Systeme vorbereitet, vergisst, dass Weiß dem mit 1.c2-c4 ein Schnippchen schlagen kann. Ein Regal ohne dieses Werk wäre, auf den Punkt gebracht, arm an Repertoire.

24. Januar 2025



Jerzy Konikowski/Uwe Bekemann
Englische Eröffnung
Band 1 Symmetrievariante
Joachim Beyer Verlag 2024
190 Seiten, 22,80 EUR
ISBN 978-3-95920-197-1


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang