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FORSCHUNG/108: EU nutzt nicht ihr volles Potential, um Frieden zu schaffen (Universität Uppsala)


Universität Uppsala - Pressemitteilung vom 28. Oktober 2010

EU nutzt nicht ihr volles Potential, um Frieden zu schaffen


In den letzten Jahren haben die EU und ihre Mitgliedstaaten die Beteiligung an Kriegen ausgeweitet, nicht jedoch ihre Friedensbemühungen. Das zeigt ein neuer Bericht des Uppsala-Konfliktdatenbankprogramms, UCDP, an der Universität Uppsala. Die Wissenschaftler sind der Auffassung, daß die EU in ihrer Eigenschaft als Friedensprojekt mehr zu bieten haben sollte und schlagen eine neue Doktrin zur Friedensstiftung vor.

Der neu erarbeitete Bericht enthüllt, daß 25 der 27 Mitgliedstaaten der EU aktiv eine Seite des Afghanistan-Konflikts unterstützen, ohne daß die EU eine unabhängige Rolle zur Friedensstiftung übernimmt. Zur gleichen Zeit beteiligt sich die EU als nur einer von vielen Mediatoren in drei der 36 auf der Welt stattfindenden bewaffneten Konflikte.

"Die EU kommt ihren Selbstbild als Projekt für den Frieden nicht nach. Es gibt ein beachtliches Potential, das nicht genutzt wird. Das militärische Engagement der Mitgliedstaaten läuft Gefahr, den Raum für andere Mittel der Konfliktbereinigung zu verkleinern," erklärt Emma Johansson, eine Doktorandin der Friedensforschung und leitende Herausgeberin des Berichts.

Der Bericht "A New Start for EU Peacemaking?" [Ein Neubeginn für EU-Friedensstiftung?] wurde von einem Team von Wissenschaftlern des Instituts für Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Uppsala zusammengestellt. Er beruht auf Informationen, die ohne weiteres über die Datenbank des Konfliktdatenbankprogramms zugänglich sind. Die Wissenschaftler haben die EU und ihre Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer militärischen und diplomatischen Unterstützung für Kriegsparteien, Bemühungen der EU bei der Konfliktvermittlung, der eigenen Friedensmissionen der EU und der Aktivitäten der Organisation für Demokratie und Menschenrechte untersucht.

Ein Beispiel dafür, daß die EU nicht ihr volles Potential nutzt, ist, daß es keine weiblichen Friedensbotschafter gibt. Über 20 Botschafter wurden benannt, seit die UNO vor genau zehn Jahren erklärt hat, daß Frauen eine größere Rolle in Friedensprozessen einnehmen sollten (UNO-Resolution 1325 von Oktober 2000).

"Das ist nicht zu glauben, wenn man daran denkt, daß es in Europa so viele gut ausgebildete Frauen gibt. Die erste Frau auf einem solchen Posten wurde erst im September diesen Jahres berufen, und wir hoffen, daß das einen neuen Trend einleitet", meint Emma Johansson.

Mit seiner statistischen Analyse zeigt der Bericht auf, daß die EU viele Möglichkeiten zum Handeln hat. Er weist nach, daß die EU bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen die Organisation beteiligt war, in der Tat erfolgreich Kriege beendet und zu Friedensvereinbarungen beigetragen hat.

"Seltsamerweise wurde nie zuvor eine solche Datenauswertung unternommen", erklärt Doktorand Joakim Kreutz, der es erstaunlich findet, daß die EU nicht mehr Vermittlungsbemühungen unternommen hat.

Der Bericht merkt zudem an, daß der Lissabon-Vertrag, der jetzt die Tätigkeit der EU regelt, zu verstärkten Friedensbemühungen aufruft. Die Wissenschaftler sprechen die Empfehlung aus, dies zum Anlaß für eine neue EU-Handlungsdoktrin zur Friedensstiftung und Konfliktlösung zu nehmen.

"Der Bericht präsentiert eine Auflistung der Bemühungen von seiten der EU, die nachdenklich stimmt, und zeigt den Wert einer systematischen Datensammlung zu Krieg und Frieden. Beispielsweise macht er deutlich, daß die EU selten eine führende Rolle bei den Friedensbemühungen spielt, an denen sie beteiligt ist. Wenn die EU jedoch in Aktion tritt und dabei zu friedlichen Mitteln greift, betrifft das häufig nicht die brennendsten Streitfragen des Konflikts", setzt Professor Peter Wallensteen, der Leiter des Forschungsprogramms, hinzu.

"Eine Friedensstiftungsdoktrin, umfangreichere Mittel für Friedensbotschafter und nicht zuletzt eine eindeutigere Rolle für den neuen diplomatischen Dienst der EU sollte dazu führen können, daß sich die Lage ändert."


Der Bericht kann von der Website der Universität Uppsala heruntergeladen werden:
http://www.pcr.uu.se/research/ucdp/publications/

Kontakt für weitere Informationen:
Emma Johansson, Tel.: +46 (0)18-471 76 51
Joakim Kreutz, Tel.: +46 (0)18-471 6124


englischer Originaltext:
http://www.mynewsdesk.com/se/pressroom/uu/pressrelease/view/eu-fails-to-exploit-full-potential-for-peace-506556?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=Subscription&utm_content=pressrelease


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Quelle:
Pressemitteilung, 28.10.2010
Universität Uppsala
Olofsgatan 10B, Box 256
751 05 Uppsala, Schweden
Internet: www.pcr.uu.se
mit freundlicher Genehmigung der Universität Uppsala
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2010