Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
Pressemitteilung vom 19. Juni 2017
BDP fordert flächendeckenden Zugang zu psychologischer Betreuung für Geflüchtete
Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni 2017 weist der BDP auf die erschwerte Lage der Betroffenen hin und mahnt zur Achtung der Menschenrechte
Weltweit befinden sich auch weiterhin so viele Menschen auf der Flucht wie nie zuvor - und gleichzeitig verbleiben die meisten innerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen oder in Nachbarstaaten. Nur ein Bruchteil der Geflüchteten gelangt als AsylbewerberInnen in die reichen Industriestaaten(*). 2015 und 2016 hat Deutschland viele Geflüchtete aufgenommen. Nur die enorme Unterstützung in der Bevölkerung und eine gemeinsame Anstrengung in den Institutionen machte dies möglich. "Die Tatsache, dass wir aktuell rückläufige Zahlen verzeichnen können, hat nicht mit einem Rückgang der Geflüchteten und abnehmenden Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu tun, sondern damit, dass Geflüchtete an den Landesgrenzen aufgehalten werden und unter menschlich unzumutbaren Zuständen monatelang in Lagern festsitzen", führt die Präsidiumsbeauftragte für Menschenrechtsfragen des BDP, Eva van Keuk, aus.
Hinzu kommen verschärfte Gesetzeslagen in Deutschland; Abschiebungen sollen im Rahmen des "Integrierten Rückkehrmanagements" erhöht werden und reibungsloser verlaufen. Geflüchtete mit geringen Chancen auf Asylanerkennung werden nicht mehr kommunal verteilt. Ihre Kinder gehen nicht zur Schule, die Geflüchteten haben nur unter erschwerten Bedingungen Zugang zu Beratung, Rechtsanwälten, medizinischer und psychotherapeutischer Behandlung. Kann die Rückführung nicht schnell umgesetzt werden, verbleiben Flüchtlinge viele Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung.
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) setzt sich für eine offene Migrationsgesellschaft ein und sieht die zum Teil vernachlässigte Berücksichtigung der internationalen und europäischen Übereinkünfte zu den grundlegenden Menschenrechten bedenklich.
- Psychologische Gutachten bei der Entscheidung über Aufenthalte
weiterhin einbeziehen.
Es ist zu beobachten, dass von Behörden, unter anderem auch dem
Bundesamt für Migration und Flucht, zunehmend psychologische
Stellungnahmen zurückgewiesen und ärztliche Einschätzungen angefordert
werden. Die psychologische Kompetenz ist besonders bei Geflüchteten
allerdings unablässig und muss in der Entscheidungsfindung mit
einbezogen werden. Drohende Abschiebungen setzen einen Großteil der
Geflüchteten unter Dauerstress, verschärfen vorhandene Störungsbilder
und lösen schwere, teilweise lebensbedrohliche Krisen aus. Das ist
mittels einer umfassenden psychologischen Begleitung vermeidbar.
- Psychisch belastete Geflüchtete müssen grundsätzlich Zugang zu
qualifizierter psychologischer Beratung erhalten.
Verschärfte Abschiebungsgesetze reduzieren Ermessensspielräume der
Behörden und sorgen für zusätzliche Belastungen bei den Geflüchteten.
Es muss gewährleistetet werden, dass in der Durchführung des
Asylverfahrens auf psychische Störungen Rücksicht genommen wird und
eine sorgfältige Einzelfallprüfung stattfindet. Eine genaue
Einzelfallprüfung, wie sie das deutsche Grundgesetz vorschreibt, ist
unter den aktuellen Umständen nicht hinreichend möglich. Hierzu gehört
auch die Bereitstellung von Beratungsangeboten in den entsprechenden
Sprachen der Betroffenen.
- Der Schutz der Familie hat Vorrang.
Beispielsweise syrische Geflüchtete erhalten oftmals nur noch
subsidiären Schutz und dürfen für zwei Jahre ihre Familienangehörigen
nicht nachholen. Der subsidiäre Aufenthaltstitel verschlechtert bei
einzelnen Geflüchteten, deren Familien in Kriegsgebieten zurückbleiben
müssen, ihre Gesundheit und Integrationsfähigkeit. Der Schutz der
Familie und damit auch Familienzusammenführungen sollen bei der
Prüfung Vorrang haben.
- Die UN Kinderrechtskonvention müssen uneingeschränkt Beachtung
finden.
Geflüchtete mit geringen Chancen auf Asylanerkennung, aus so genannten
sicheren Herkunftsstaaten verbleiben in den zentralen
Erstaufnahmestellen und werden nicht mehr kommunal verteilt. Ihre
Kinder gehen nicht zur Schule. Der BDP fordert daher auch für Kinder
von Geflüchteten aus sicheren Herkunftsstaaten gleiche Gesundheits-
und Bildungschancen für ihre Aufenthaltszeit, wie sie jedes andere
Kind erhält.
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.
(BDP) vertritt die beruflichen Interessen der niedergelassenen,
selbständigen und angestellten/beamteten Psychologinnen und
Psychologen aus allen Tätigkeitsbereichen. Als anerkannter Berufs- und
Fachverband ist der BDP Ansprechpartner und Informant für Politik,
Medien und Öffentlichkeit in allen Fragen der beruflichen Anwendung
von Psychologie und Psychotherapie. Der BDP wurde vor 70 Jahren am 5.
Juni 1946 in Hamburg gegründet. Heute gehören dem Verband rund 11.500
Mitglieder in 13 Landesgruppen und 11 Sektionen an.
(*) Statistik des UNHCR (jährlich zum 20.6.) vom 20.6.2016 zu den
Zahlen 2015: 65,3 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht,
darunter 40,8 Binnenvertriebene und 5,2 Millionen AsylbewerberInnen
(anhängige Verfahren und neue Anträge).Quelle: Pressemitteilung des
UNHCR 2016,
http://www.unhcr.org/dach/de/6483-flucht-und-vertreibung-2015-drastisch-gestiegen.html
*
Quelle:
Pressemitteilung 4/2017 vom 22. Juni 2017
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
Philipp Kardinahl, Pressereferent des BDP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2017
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