Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/647: Enzo Maccarinelli debütiert im Halbschwergewicht (SB)



Zweiter Anlauf des Walisers unter den Fittichen Enzo Calzaghes

Der aus Sardinien stammende Enzo Calzaghe war Weltenbummler und Musiker, bis er schließlich seßhaft wurde und sich in Wales niederließ. Obgleich zeitlebens nie als Trainer ausgebildet, kürte ihn 2007 eine anerkannte Fachzeitschrift zum weltbesten Experten seines Fachs. Herzstück seiner Boxphilosophie ist eine unerhört hohe Schlagfrequenz, die niemand so erfolgreich umsetzte wie sein Sohn Joe, der als überragender Supermittelgewichtler seiner Ära galt.

Joe Calzaghe stand 15 Jahre im Ring und hatte zeitweise die Gürtel aller vier maßgeblichen Weltverbände in seinem Besitz. Im Oktober 1997 entthronte er seinen prominenten britischen Landsmann Chris Eubank als WBO-Champion im Supermittelgewicht. Nach 21 erfolgreichen Titelverteidigungen legte er diesen Gürtel im September 2008 ungeschlagen nieder. Einige Zeit war er auch Weltmeister der IBF und im November 2007 gewann er mit einem Punktsieg gegen den Dänen Mikkel Kessler die Gürtel der Verbände WBA und WBC hinzu. Die Erfolgsbilanz des Rechtsauslegers ist mit 46 Siegen in 46 Kämpfen lupenrein.

Seine letzten beiden ebenso spektakulären wie lukrativen Auftritte bestritt Joe Calzaghe im Jahr 2008 im Halbschwergewicht gegen berühmte Gegner in den USA. Im Frühjahr besiegte er den früheren Champion aller vier Verbände im Mittelgewicht, Bernard Hopkins, knapp nach Punkten. Seine Abschiedsvorstellung gab er am 8. November 2008 im New Yorker Madison Square Garden gegen den nicht minder legendären Roy Jones jun., der sich ebenfalls nach Punkten geschlagen geben mußte. Im November 2008 wurde der Ausnahmeathlet von der britischen Königin Elizabeth II. als Commander of the British Empire geehrt, womit man ihm die höchste Auszeichnung vor dem Ritterschlag verlieh. Im Februar 2009 erklärte der 36jährige in einem Exklusivinterview mit der BBC offiziell seinen Rücktritt.

Joe Calzaghe war der beste, doch beileibe nicht der einzige Boxer, den sein Vater zur Weltmeisterschaft führte. Enzo Maccarinelli brachte es zum Champion im Cruisergewicht, wo er im März 2008 als WBO-Weltmeister auf David Haye traf, der die Titel der Verbände WBA und WBC in seinem Besitz hatte. Schon im Vorfeld wurde das Duell in der mit rund 20.000 Zuschauern restlos ausverkauften Londoner O2 Arena zum Klassiker erklärt. Die Rivalität der beiden Boxer rief Erinnerungen an die legendären Ringschlachten zwischen Chris Eubank und Nigel Benn im Mittelgewicht und Supermittelgewicht wach, die in den frühen neunziger Jahren das Publikum in ihren Bann geschlagen und England zur Hochburg dieser Gewichtsklassen gemacht hatten.

David Haye und Enzo Maccarinelli waren beide 27 Jahre alt und hatten zuvor nur einmal verloren. Als sie einander schließlich im Ring gegenüberstanden, nahm der Kampf einen Verlauf, wie ihn Haye erhofft und Maccarinelli befürchtet hatte. David Haye konnte in der zweiten Runde zwei schwere Treffer landen, nach denen der Waliser angeschlagen umhertaumelte und verteidigungsunfähig war. Völlig zu Recht brach der Ringrichter ab, worauf sich der Sieger nach diesem frühen Triumph noch lange mit seinen drei Gürteln feiern ließ. Als Champion der Verbände WBA, WBC und WBO galt er nun mit Fug und Recht als bester Cruisergewichtler der Welt und kündigte seinen Aufstieg ins wesentlich attraktivere Schwergewicht an.

Die verheerende Niederlage gegen seinen wild auftrumpfenden Landsmann schien Maccarinelli erschüttert zu haben, da er in der Folge nie wieder an die Weltspitze der Gewichtsklasse zurückkehren konnte. Im September 2010 traf er als amtierender Europameister in Birmingham auf Alexander Frenkel, der bei Sauerland Event unter Vertrag steht. Der 25 Jahre alte Würzburger lag auf den Punktzetteln klar zurück, als er in der siebten Runde mit einem Volltreffer das Blatt wenden konnte. Maccarinelli, der damit bereits die fünfte vorzeitige Niederlage seiner Karriere bezogen hatte, stand danach für eine lange Zeit nicht mehr im Ring.

Am vergangenen Wochenende meldete sich Enzo Maccarinelli in London mit einem erfolgreichen Debüt im Halbschwergewicht zurück. Der 31jährige Waliser aus Swansea hatte im Cruisergewicht ohnehin nie zu den physisch überlegenen Akteuren gehört und machte nun im niedrigeren Limit einen gut austrainierten Eindruck. Der Ungar Gyorgy Marosi war noch gar nicht richtig in Fahrt gekommen, als ihn Mitte der ersten Runde ein linker Haken in die Seile taumeln ließ, dem eine rechte Gerade folgte. Sofort schritt der Ringrichter ein und nahm Marosi aus dem Kampf, ohne ihn anzuzählen. Damit stehen für den Waliser nun 33 Siege und fünf Niederlagen zu Buche.

Wenngleich man durchaus einwenden kann, daß dieser Abbruch übereilt erfolgt sei, spricht doch andererseits wenig dafür, daß sich der Ungar im weiteren Verlauf besser geschlagen hätte. Er war zwar zuvor in zwölf Kämpfen unbesiegt, doch hatten neun seiner Gegner mehr Auftritte verloren als gewonnen. Ein echter Prüfstein war er für Maccarinelli nicht, der sich mit diesem handverlesenen Kontrahenten an die neue Gewichtsklasse herangetastet hat. Der Waliser zeigte sich jedenfalls in guter Verfassung und überzeugte mit seiner Schlagwirkung. Wie weit er es im Halbschwergewicht bringen kann, wird sich bei Kämpfen gegen anspruchsvollere Gegner herauskristallisieren.

22. November 2011