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MELDUNG/803: Nur zwei können Saul Alvarez das Wasser reichen (SB)




Kronprinz der Regenten Manny Pacquiao und Floyd Mayweather

Von Manny Pacquiao und Floyd Mayweather abgesehen, die nach wie vor als Ausnahmeerscheinungen gelten dürfen, gibt es keinen Gegner mehr, der Saul Alvarez das Wasser reichen könnte. Der erst 21 Jahre alte ungeschlagene Mexikaner ist WBC-Weltmeister im Halbmittelgewicht und hat bereits 40 Kämpfe gewonnen sowie einen unentschieden beendet. Sein Promoter Golden Boy führt ihn nur noch mit namhaften Gegnern zusammen, die ihm Höchstleistungen abverlangen und ihn auf den Tag vorbereiten, an dem sich erweisen wird, ob er das Zeug zum künftigen unangefochtenen König seiner Gewichtsregion hat.

Am 15. September trifft Alvarez in Las Vegas auf Paul Williams, der 41 Siege und zwei Niederlagen vorweisen kann. Der US-Amerikaner wird in der unabhängigen Rangliste unmittelbar hinter dem jungen Mexikaner geführt und gilt als Kontrahent, der ihn durchaus auf eine harte Probe stellen dürfte. Mit einer Größe von 1,91 m und außergewöhnlich langen Armen verfügt Williams über Körpermaße, die man in den höchsten Rängen dieser Gewichtsklasse kein zweites Mal findet. So kann der Geschäftsführer der Golden Boy Promotion, Richard Schaefer, ohne Übertreibung ein Duell ankündigen, das zweifellos riskant und dramatisch sei.

Wollte man eine Umfrage durchführen, wie die beiderseitigen Chancen eingeschätzt werden, würde vermutlich die eine Hälfte Alvarez und die andere Williams den Zuschlag gegen, so Schaefer. Um nichts anderes gehe es beim Pay-per-View, denn wer wolle schon einen Kampf buchen, dessen Sieger von vornherein feststeht. Derart einseitige Kämpfe sollten nicht auf HBO oder Showtime gezeigt werden, geschweige denn als Pay-per-View. Welcher der beiden führenden Boxsender den Kampf übertragen wird, steht freilich noch nicht fest. Im Augenblick könne er dazu noch nichts sagen, doch man arbeite daran und werde in Kürze das Ergebnis bekanntgeben, teilte Schaefer mit.

Anfang Mai wurde der Kampf des Mexikaners gegen Shane Mosley bei HBO im Vorprogramm des Duells zwischen Floyd Mayweather und Miguel Cotto ausgestrahlt. Damals setzte sich Alvarez so eindeutig nach Punkten durch, daß der 40jährige Mosley daraufhin ernsthaft in Erwägung zog, seine lange und erfolgreiche Karriere zu beenden. Dabei bot der fast doppelt so alte US-Amerikaner eine beeindruckende Leistung und blieb bis zum Ende gefährlich, so daß er den Nimbus wahren konnte, noch nie durch K.o. verloren zu haben. Kaum ein anderer Gegner wären Mosley an diesem Abend gewachsen gewesen, doch beeindruckte der Mexikaner wiederum nicht nur durch eine überragende Kondition und unerschütterliche Nehmerqualitäten, sondern auch durch einen Auftritt ohne ersichtliche technische oder taktische Schwächen.

Die Erfahrung, daß man Saul Alvarez nicht mehr das Wasser reichen kann, mußte Ende letzten Jahres auch Kermit Cintron machen. Der Puertoricaner scheiterte beim Versuch, dem WBC-Weltmeister bei dessen dritter Titelverteidigung den Gürtel abzunehmen. Zwei Runden lang ließ der Champion seinen Gegner gewähren, hielt seine Abwehr geschlossen und suchte nach Lücken in der Deckung des Gegners. Dann hatte er genug gesehen und ergriff in der dritten Runde die Initiative, worauf der Herausforderer etliche schwere Treffer einstecken mußte. Im folgenden Durchgang rettete der Pausengong den schwer angeschlagen in den Seilen hängenden Cintron. Zwar bäumte sich der Puertoricaner zu Beginn der fünften Runde noch einmal gegen die drohende Niederlage auf, doch handelte es sich lediglich um ein Strohfeuer. Diesmal sollte er die Pause nicht mehr erreichen, da ihm Alvarez so heftig zusetzte, daß der Ringrichter eingriff und Kermit Cintron aus dem Kampf nahm.

Wenngleich natürlich auch Saul Alvarez gegen einen Glückstreffer oder eine Verletzung nicht gefeit ist und wie jeder Boxer auf einen Widersacher treffen kann, dessen Kampfesweise mit der seinen einfach nicht kompatibel ist, schwinden doch die Aussichten seiner Gegner rapide, ihn auf dem falschen Fuß zu erwischen. Hinzu kommt der Vorteil, daß er zumeist nur halb so alt wie Kontrahenten ist, die über eine vergleichbare Erfahrung verfügen. Sein größter Trumpf bleibt indessen die Kombination aus robuster körperlicher Verfassung, kämpferischen Qualitäten, enormer Schlagwirkung und soliden technischen Fertigkeiten, wie man sie in diesem Zusammenspiel höchst selten antrifft. Eine taktische Marschroute, diesen lückenlos anmutenden Verbund zu erschüttern oder gar aufzubrechen, muß erst noch gefunden werden. Und da der Mexikaner trotz seiner Jugend den boxerischen Lehrjahren längst entwachsen ist, spielt ihm gewissermaßen jene Zeit in die Hände, der auch die Idole Pacquiao und Mayweather ihren Tribut zollen müssen. Wenngleich Saul Alvarez zweifellos davon träumt, zumindest einen von beiden in einem grandiosen Kampf zu entthronen, ist ebensogut möglich, daß der philippinische Volksheld und dessen amerikanischer Erzrivale ihre Karriere beenden, ohne ihrem mutmaßlichen Nachfolger je im Ring begegnet zu sein.

25. Mai 2012