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MELDUNG/918: Ein weiteres Debakel für Audley Harrison (SB)




David Price gewinnt britischen Schwergewichtskampf in 90 Sekunden

Der britische Schwergewichtler Audley Harrison wäre gut beraten, die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel zu hängen. Im Alter von 40 Jahren ist der frühere Olympiasieger, der Zeit seiner Profikarriere an den überzogenen Erwartungen seiner Landsleute zu scheitern drohte und schon gegen David Haye eine desaströse Niederlage bezog, nur noch ein Spielball für die aufgerückte junge Garde. Hatte Harrison im verzweifelten Versuch, seinen ramponierten Ruf zum Ende seiner Karriere aufzupolieren, jüngst noch die unrealistische Perspektive eröffnet, er wolle Weltmeister werden, so holte ihn David Price grausam auf den Boden boxerischer Tatsachen zurück.

Der in den USA lebende Harrison hatte sich für sein Sparring mit Deontay Wilder den derzeit wohl besten US-amerikanischen Schwergewichtler, sowie Joe Hanks und Malik Scott geholt, die ebenfalls über zwei Meter groß sind. Alle drei ähnelten dem 2,03 m messenden Price in ihrer Statur, so daß er sich bestmöglich vorbereitet habe, machte Harrison im Vorfeld des Kampfs geltend. Daß er ausschließlich bemüht schien, mit Standfestigkeit eine frühzeitige Niederlage zu vermeiden, ließ zwar Schlimmes befürchten, doch dürften selbst seine schärfsten Kritiker kaum damit gerechnet haben, daß er die erste Runde nicht überstehen würde.

Der 29jährige Britische und Commonwealthchampion David Price brauchte in seiner Heimatstadt Liverpool nur eine Minute, um bei Audley Harrison Maß zu nehmen. Dann schlug seine erste Rechte ein und erzielte sichtlich Wirkung, worauf er den in den Seilen hängenden Gegner mit einer präzisen Kombination auf die Bretter schickte. So fand der Kampf bereits nach 90 Sekunden ein jähes Ende, da Harrison ärztlich behandelt werden mußte und erst Minuten später wieder auf die Beine kam. Price blieb damit in vierzehn Kämpfen ungeschlagen, von denen er zwölf vorzeitig beendet hat, und demonstrierte wiederum seine enorme Schlagwirkung. Audley Harrisons Bilanz von 28 Siegen und sechs Niederlagen dürfte künftig keine Änderung mehr erfahren.

Wenngleich Harrison kein ebenbürtiger Gegner war, zollte Price dem 40jährigen Respekt. Dieser habe in der Vergangenheit Gold für sein Land gewonnen und viele Menschen inspiriert. Er selbst sei mit dem Resultat zufrieden, obwohl er sich einen etwas längeren Kampf gewünscht hätte. "Manchmal mache ich mir selber Angst", scherzte Price im Interview, der vermutlich schon im Dezember seinen nächsten Auftritt geben wird. Euphorisch verkündete sein Promoter Frank Maloney, daß dieser Schlag jeden niedergestreckt hätte, auch die Klitschkos. Man habe soeben einen künftigen Weltmeister gesehen.

Daß dies reichlich hoch gegriffen war, wußte natürlich auch Maloney. Daher legte er eine naheliegendere Option für David Price nach und bot dessen Landsmann Tyson Fury für 500.000 Pfund einen Kampf an, den das britische Publikum unbedingt sehen wolle. Zwar ist letzteres zweifellos zutreffend, doch Fury nicht mit Harrison zu vergleichen. Ebenfalls ein Hüne von Gestalt ist auch Tyson Fury ungeschlagen, wobei er über größere Erfahrung als David Price verfügt und bereits namhaftere Gegner besiegt hat. David Haye ist in diesem Zusammenhang kein Thema, da der beste britische Schwergewichtler allenfalls zu einem Kampf gegen Vitali Klitschko aus dem Ruhestand zurückkehren will. Zu nennen wäre natürlich noch Dereck Chisora, der gegen den älteren Klitschko und zuletzt David Haye verloren hat, doch bei der knappen Niederlage gegen den allerdings an der Schulter verletzten Finnen Robert Helenius eine gute Figur machte.

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Leif Larsens Physis überrollt Jason Gavern

Der Kubaner Odlanier Solis wird schon gewußt haben, warum er den bereits geplanten Kampf gegen Leif Larsen kurzfristig abgesagt hat. Der in Spanien lebende norwegische Schwergewichtler lehrte den eingesprungenen US-Amerikaner Jason Gavern das Fürchten, der immerhin schon mit namhaften Gegnern wie Mariusz Wach, Denis Boitsow und Alexander Ustinow im Ring gestanden und ein Unentschieden gegen Johnathon Banks erzielt hat. Der bereits 37 Jahre alte Norweger hat früher in der NFL gespielt und beeindruckt in seiner zweiten Karriere mit einer außerordentlich robusten Physis. Ein technisch hochklassiger Boxer wird er nicht mehr werden, doch verfügt er über einen wuchtigen Schlag, dem auch Gavern zum Opfer fiel.

Fast wäre es bereits in der dritten Runde soweit gewesen, da der US-Amerikaner mehrere schwere Treffer einstecken mußte. Er hielt jedoch tapfer noch bis zur fünften Runde durch, in der ihn dann ein Aufwärtshaken Larsens geschlagen auf die Bretter schickte. Der Norweger blieb damit auch im 17. Profikampf ungeschlagen und kann sich fortan mit dem allerdings unbedeutenden Gürtel der Transcontinental World Boxing Association (TWBA) schmücken. Viel wichtiger ist indessen, daß Leif Larsen ein Sprung in die Top 15 eines der vier großen Verbände winkt, womit er sogar als Gegner für die freiwillige Titelverteidigung eines Weltmeisters in Frage käme.

16. Oktober 2012