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MELDUNG/951: Atemberaubende Ringschlacht zwischen Robert Guerrero und Andre Berto (SB)




Interimschampion Guerrero setzt sich nach Punkten durch

In einem ebenso hochklassigen wie atemberaubenden Kampf des Weltergewichts hat Robert Guerrero den Titel des Interimsweltmeisters beim Verband WBC erfolgreich verteidigt. Der frühere Champion Andre Berto aus Miami mußte sich nach zwölf zumeist spektakulär verlaufenen Runden einstimmig nach Punkten geschlagen geben (110:116, 110:116, 110:116). Während der ursprünglich aus dem Federgewicht stammende Kalifornier durch diesen Erfolg in seinem zweiten Weltergewichtskampf seine Bilanz auf 31 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden verbesserte, verlor Berto, der 28 Auftritte gewonnen hat, wie schon gegen Victor Ortiz in einem der besten Kämpfe des Jahres. Der 29 Jahre alte Guerrero dürfte damit seine Aussichten wesentlich verbessert haben, zu einem lukrativen Duell mit Floyd Mayweather jun. in den Ring zu steigen. Dieser ist WBC-Weltmeister in dieser Gewichtsklasse und bestreitet nur noch Kämpfe, die sich im Bezahlfernsehen ergiebig versilbern lassen.

Zum Auftakt überraschte Berto mit einer Kampfesweise, die insbesondere durch die zur Deckung rollenden Schultern stark an Mayweather erinnerte. Damit verschaffte er sich zunächst leichte Vorteile, zumal er dank seiner Schnelligkeit einige Treffer ins Ziel brachte. Guerrero hatte offensichtlich die taktische Antwort auf diesen Vorteil seines Gegners jedoch schon vorab gefunden, suchte er doch immer wieder die Nahdistanz. In der letzten Minute kam er mit einer gefährlichen Linken durch, die Berto unverhofft auf die Bretter schickte. Sichtlich konsterniert und noch immer angeschlagen kam dieser wieder auf die Beine und überstand nur mühsam die folgenden Angriffe des Kaliforniers.

Auch in der zweiten Runde sah es nicht gut für Berto aus, der nach einem Uppercut und einigen weiteren Treffern erneut angezählt wurde. Zudem war er durch eine Schwellung unter dem rechten Auge gezeichnet, die seine Sicht schon in dieser frühen Phase einschränkte. Im dritten Durchgang verlegte sich Guerrero auf Schläge zum Körper, die seinen Vorsprung auf den Zetteln der Punktrichter ausbauten. In die Schranken gewiesen war Berto jedoch noch lange nicht, der von der vierten Runde an zunehmend besser mit seinem rechten Uppercut Gefahr für seinen Gegner heraufbeschwor.

Das nach wie vor heftige Gefecht zeichnete sich auch durch diverse unsaubere bis regelwidrige Aktionen aus, bei denen der Lokalmatador offenbar vom Ringrichter bevorteilt wurde, wie man das gerade in Kalifornien leider immer wieder erlebt. So wurde Berto in der fünften Runde wegen Schlagens auf den Hinterkopf ermahnt, während die Tiefschläge des Kontrahenten wie auch dessen Halten und Schlagen ungeahndet blieben. Dies führte dazu, daß Guerrero seine ungestümen Attacken dicht am Mann ungehindert fortsetzen konnte, Berto hingegen auf der Hut sein mußte, sich keinen Punktabzug einzuhandeln.

Im sechsten Durchgang mußte Guerrero seine Nehmerqualitäten unter Beweis stellen, als er im Schlagabtausch etliche Treffer abbekam. Es folgte eine Runde, in der Berto wieder in die Defensive gedrängt wurde und Schlagwirkung zeigte, worauf die Kontrahenten einander eine beiderseits hart umkämpfte achte Runde lieferten. Im neunten Durchgang schien es Berto zu gelingen, den Kampf zu drehen: Er traf Guerrero wiederholt mit dem Uppercut und brachte ihn kurzfristig ins Wanken.

Obgleich auch Guerreros rechtes Auge inzwischen vollständig zugeschwollen war, bot er seinem Gegner in der zehnten Runde verbissen Paroli und setzte ihm derart zu, daß nun auch Bertos anderes Auge zuzuschwellen begann. Nachdem der elfte Durchgang ausgeglichen verlaufen war, kämpften die beiden in der zwölften und letzten Runde noch einmal bis zum Umfallen, um die Oberhand zu gewinnen. Am Ende war es dann Guerrero, der mit seinen Treffern wiederum Wirkung erzielte und im Eifer des Gefechts nicht einmal den Schlußgong hörte.

Der Sieg fiel nicht unverdient Robert Guerrero zu, der ein Mittel ersonnen und und umgesetzt hatte, das die bekannten Stärken Andre Bertos im Kampf aus der Distanz neutralisierte. Wie der alte und neue Interimsweltmeister im anschließenden Interview mit dem Sender HBO Bilanz zog, habe sich sein Gegner wie ein echter Champion verteidigt. Da Berto unerhört schnell schlage, sei eine Verlagerung in den Infight die einzig mögliche Antwort gewesen, um Treffer zu vermeiden. Dennoch habe er eine ganze Reihe heftiger Schläge abbekommen, sie aber alle ohne größere Probleme weggesteckt. Nachdem er sein Können eindrucksvoll demonstriert habe, fordere er im nächsten Schritt einen Kampf gegen Floyd Mayweather.

Andre Bertos Gesicht zeigte unübersehbar, warum er aus diesem turbulenten Gefecht als Verlierer hervorgegangen war. Zu Recht beklagte er allerdings auch die Einseitigkeit des Referees Lou Moret, der ihn mit seinen Ermahnungen ausgebremst habe. Nach vierzehn Monaten Pause sei er in den Ring zurückgekehrt und habe verloren. So etwas passiere eben, doch sei er gern zu einer Revanche mit Robert Guerrero bereit.

Die Zuschauer waren jedenfalls Zeugen eine Darbietung geworden, die gute Aussichten hat, beim Rennen um den "Kampf des Jahres" ganz vorne mitzumischen. In einer kräftezehrenden Ringschlacht hatten die Kontrahenten einander von der ersten bis zur letzten Runde nichts geschenkt und verbissen um die Sieg gerungen. Gegen Ende waren die Augen beider Boxer derart zugeschwollen, daß sie kaum noch etwas sehen konnten. Das hinderte sie jedoch nicht daran, unvermindert heftig aufeinander einzuschlagen. Tosender Applaus beim Schlußgong zollte einer Leistung Tribut, die eindrucksvoll unter Beweis gestellt hatte, daß der Boxsport zumindest bei hochklassigen Paarungen in den mittleren Gewichtsklassen nichts von seiner Faszination eingebüßt hat.

25. November 2012