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MELDUNG/1224: Manöverkritik - Teddy Atlas attestiert Powetkin eine falsche Strategie (SB)




Früherer Trainer des Russen analysiert Klitschkos Schwächen

Nun hat sich auch Alexander Powetkins ehemaliger Trainer Teddy Atlas zu Wort gemeldet und die einstimmige Punktniederlage seines früheren Schützlings gegen Wladimir Klitschko am 5. Oktober in Moskau kritisch kommentiert. Nach Einschätzung des ESPN-Analysten hat der Russe auf eine falsche Strategie gesetzt. Atlas, der im Unterschied zu vielen anderen sogenannten Experten, die heutzutage die Szene bevölkern, weiß, wovon er spricht, hätte eigenen Angaben zufolge jene Vorgehensweise gewählt, die er schon damals bei seiner Zusammenarbeit mit Powetkin ausgearbeitet habe.

Wenn man Klitschkos Jab ausweiche und dem Ukrainer nahekomme, sei dieser mit der Rechten leicht zu treffen. Dann verwandle sich die Größe des Weltmeisters aus einem vermeintlichen Vorteil ins Gegenteil, da er viel Trefferfläche biete. Verstehe man das, wisse man alles, was erforderlich ist, um ihn zu besiegen. Daß sich Klitschko bei einem kleineren Gegner aufs Klammern verlegen werde, sei seines Erachtens abzusehen gewesen, so Atlas: "Die Sonne geht morgens auf, das ist unvermeidlich." Bei angemessener Vorbereitung hätte man dem bekannten Umstand Rechnung getragen, daß der Ukrainer höchst ungern in der Nahdistanz boxt. Versuche er zu klammern, müsse man einen Schritt zurück machen, und da er sich nach vorn beuge, um den Gegner festzuhalten, sei er in diesem Augenblick offen für eine Kombination. "Das wäre meine Strategie gewesen", schließt Atlas seine Ausführungen. [1] Wenngleich diese theoretische Analyse natürlich auf einem anderen Blatt als ihre praktische Umsetzung steht, klingt doch durchaus plausibel, was der frühere Trainer Mike Tysons und anderer namhafter Boxer bis hin zu Powetkin zum Thema beizutragen hat.

Alexander Powetkin hat bei dem "Machtkampf in Moskau" zwar viel Geld verdient, aber einen sportlichen Rückschlag erlitten. Wäre das Duell vom Ergebnis her ausgeglichener verlaufen, hätte es möglicherweise einen Rückkampf gegeben. Da der Titelverteidiger aber am Ende alle zwölf Runden gewonnen hatte, sieht sein Manager keinen Grund für einen zweiten Kampf gegen den Russen. Es stehe keine Revanche an, so Bernd Bönte. Setze sich ein Boxer so deutlich durch wie Wladimir, müsse man darüber nicht mehr diskutieren.

Wer der nächste Gegner des Superchampions wird, dürfte sich frühestens Anfang kommenden Jahres abzeichnen. Wie Bönte erklärte, werde Klitschko erst im Frühjahr 2014 in den Ring zurückkehren. Obgleich bereits einige Namen im Gespräch seien, wäre es verfrüht, sich schon jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen. Sauerland hatte gleich nach dem Kampf in Moskau den Russen Denis Boitsow genannt, der der nächste Pflichtherausforderer bei der WBO werden könnte. Das sei sicher ein interessanter Name, doch gebe es viele interessante Namen im Schwergewicht, so Bönte. Das nächste Wort hätten ohnehin die Weltverbände, die ihre Entscheidung rechtzeitig zur Absprache vorlegen würden.[2]

Ein interessanter Kandidat wäre zweifellos der in 18 Profikämpfen ungeschlagene Bulgare Kubrat Pulew, der als Pflichtherausforderer der IBF ebenfalls bei Sauerland Event unter Vertrag steht. Er hatte den Titel des Europameisters im Sommer niedergelegt, um gegen den US-Amerikaner Tony Thompson einen Ausscheidungskampf der IBF zu bestreiten, den er klar nach Punkten gewann. Daraufhin kämpfte der Brite Dereck Chisora gegen Pulews Teamkollegen Edmund Gerber um den vakanten Titel und gewann durch technischen K.o. in der fünften Runde. Nun hat die Europäische Box-Union (EBU) Pulew zum Pflichtherausforderer Chisoras erklärt, und obgleich die Rückeroberung dieses Gürtels den Bulgaren nicht sonderlich reizen dürfte, wäre das Duell doch möglicherweise eine günstige Option, die lange Wartezeit bis zum Frühjahr zu überbrücken.[3]

Chisora hat 18 Kämpfe gewonnen und vier verloren, was auf den ersten Blick nicht gerade beeindruckend anmutet. Berücksichtigt man jedoch, daß er sich ausschließlich so hochklassigen Gegnern wie seinem Landsmann Tyson Fury, dem WBC-Weltmeister Vitali Klitschko, dem aufstrebenden Finnen und früheren Europameister Robert Helenius sowie seinem Londoner Erzrivalen David Haye geschlagen geben mußte, sieht die Sache schon anders aus. Kubrat Pulew ginge als Favorit in diesen Kampf, der indessen von beträchtlichem Unterhaltungswert wäre. Da der europäische Verband noch keinen Termin für die Versteigerung der Austragungsrechte anberaumt hat, bleibt dem Bulgaren und seinem Umfeld noch genug Zeit, die eigenen Optionen gründlich zu sortieren.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/povetkins-ex-trainer-atlas-das-waere-nicht-meine-strategie-gewesen-29397

[2] http://www.boxen.de/news/povetkin-bekommt-keine-revanche-gegen-klitschko-29355

[3] http://www.boxen.de/news/ebu-ernennt-pulev-zum-pflichtherausforderer-von-chisora-29394

10. Oktober 2013