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MELDUNG/1376: Schwergewichtskämpfe müssen nicht langweilig sein (SB)




Einhelliges Lob für Steve Cunningham und Amir Mansour

Bei einer Boxgala in Philadelphia, die von Main Events und NBC Sports veranstaltet wurde, hat sich Steve Cunningham in einem hochklassigen Schwergewichtskampf gegen Amir Mansour durchgesetzt. Nachdem Cunningham die ersten vier Runden mit seinem Jab aus der Distanz dominiert hatte, ließ er den deutlich kleineren Gegner im fünften Durchgang zu dicht herankommen und fand sich nach einem Volltreffer plötzlich auf dem Boden wieder. Mühsam kam er wieder auf die Beine, doch Mansour setzte sofort nach und ließ einen weiteren Niederschlag folgen. Das schien die Entscheidung gewesen zu sein, da Amir Mansour für seine enorme Schlagwirkung bekannt ist.

Wie durch ein Wunder überstand Cunningham die verbliebene Zeit bis zur Pause, doch als der 37jährige zur sechsten Runde aus seiner Ecke kam, wirkte er immer noch weggetreten und hatte offensichtlich weiche Knie. Obgleich seine Aussichten, das Ende dieses Durchgangs zu erreichen, denkbar gering waren, hielt er sich in einer Mischung aus unschätzbarer Erfahrung und bemerkenswerter Ringintelligenz den anrennenden Gegner nicht nur vom Leib, sondern boxte so beweglich und effektiv, daß er die Runde sogar gewann.

Nachdem er sich auf derart spektakuläre Weise aus der Enge befreit hatte, übernahm Cunningham wieder das Kommando. Mit seinem variablen Jab und Rechten zum Kopf und Körper beschäftigte er Mansour unausgesetzt und ermüdete den 41jährigen zusehends, der seine Kräfte in wilden Angriffen verbrauchte, die selten ihr Ziel fanden. Das Duell blieb trotz der klaren technischen Überlegenheit Cunninghams weiter spannend, da bis zum Ende ein weiterer Volltreffer Mansours in der Luft lag. [1]

Als die zehnte und letzte Runde eingeläutet wurde, sah man beiden Boxern deutlich an, wieviel sie in diesem Kampf eingesteckt hatten. Cunningham wies eine Rißwunde über dem linken Auge auf, die ihm ein wuchtiger Treffer zugefügt hatte. Mansour war noch schwerer gezeichnet, da sein linkes Auge inzwischen fast zugeschwollen und auch die Sicht auf dem rechten erheblich eingeschränkt war. Weil sein Gegner auf den Punktzetteln uneinholbar in Führung lag, mußte er alles auf eine Karte setzen. Er kam aus seiner Ecke gestürmt und warf sich mit wilden Schwingern auf den Kontrahenten. Cunningham, der sich in schwerer Bedrängnis sah, stellte wiederum sein außergewöhnliches Repertoire unter Beweis: Als er Gefahr lief, den Kampf im letzten Augenblick doch noch zu verlieren, nutzte er eine Konterchance und schickte Mansour auf die Bretter. Damit war die Entscheidung gefallen, da sich Cunningham in den verbliebenen Sekunden bis zum Schlußgong die Butter nicht mehr vom Brot nehmen ließ. [2]

Steve Cunningham setzte sich auch in der Höhe verdient nach Punkten durch (97:90, 95:92, 95:92) und verbesserte seine Bilanz auf 27 Siege sowie sechs Niederlagen. Mit diesem souveränen und mitunter sensationell anmutenden Auftritt stellte er die Bandbreite seiner Fähigkeiten unter Beweis. Er war früher IBF-Weltmeister im Cruisergewicht und brachte technische Fertigkeiten ins Schwergewicht mit, an denen sich noch mancher körperlich überlegene Gegner die Zähne ausbeißen wird. Cunningham bereitete selbst dem 2,06 m großen Briten Tyson Fury, der ihn turmhoch überragte, bei dessen US-Debüt beträchtliche Schwierigkeiten, als er ihn sogar niederschlug. Erst als der Brite dazu überging, sich buchstäblich auf ihn zu werfen, dicht an dicht zu bedrängen und nach unten zu drücken, ermüdete Cunningham unter dieser Last und mußte sich schließlich vorzeitig geschlagen geben.

Amir Mansour bezog in seinem 21. Profikampf die erste Niederlage, wobei man ihm attestieren kann, zu einem der aufsehenerregendsten Kämpfe dieses allerdings noch recht jungen Jahres einen hochwertigen Auftritt beigesteuert zu haben. Es war eine mutige Entscheidung, gegen den ehemaligen Weltmeister anzutreten, und Mansour legte eine bewundernswerte kämpferische Einstellung an den Tag. Wäre es ihm gelungen, ein wenig präziser zu boxen und neben seinen zahlreichen wilden Schwingern auch andere Schläge abzufeuern, hätte er Cunningham womöglich bezwungen. Fast wäre ihm das ohnehin in der fünften oder sechsten Runde gelungen, die kaum ein anderer Gegner überstanden hätte.

Mansour, dessen Karriere durch zwei Haftstrafen unterbrochen wurde, muß angesichts seines Alters am Ball bleiben, um noch in die Nähe eines bedeutenden Titels zu gelangen. Er konnte und wollte sich nicht mit schwachen Gegnern abgeben, da ihn nur Siege gegen in den Ranglisten plazierte Kontrahenten weiter voranbringen. Angesichts des einhelligen Lobes namhafter Kommentatoren, das ausdrücklich beiden Boxern gilt, ist nicht auszuschließen, daß die Niederlage gegen Steve Cunningham für Amir Mansour letztendlich kein Rückschlag, sondern im Gegenteil ein Ausrufezeichen war, das dem Fortgang seiner Karriere förderlich ist.


Fußnoten:

[1] http://www.badlefthook.com/2014/4/5/5583890/cunningham-vs-mansour-results-steve-cunningham-victorious-in-terrific

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/04/curtis-stevens-stops-tureano-johnson/

5. April 2014