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MELDUNG/1383: Wen der Teufel reitet - Shannon Briggs boxt wieder (SB)




Der 42jährige New Yorker hat immer noch nicht genug

Der US-amerikanische Schwergewichtler Shannon Briggs machte sich erstmals international einen Namen, als er 1997 den wesentlich älteren George Foreman höchst umstritten nach Punkten besiegte. Dieses Geschenk bahnte ihm den Weg zu einem Titelkampf, bei dem er im März 1998 in Atlantic City auf den damaligen WBC-Weltmeister Lennox Lewis traf. Briggs brachte den Briten anfangs in große Schwierigkeiten, verlor jedoch in der fünften Runde durch Knockout. Erst acht Jahre später eröffnete sich dem New Yorker erneut eine Chance, um einen Gürtel zu kämpfen, die er diesmal mit einer gehörigen Portion Glück nutzen konnte. Durch einen K.o.-Sieg in der letzten Sekunde seines Kampfs gegen den Weißrussen Sergej Liachowitsch wurde er im November 2006 Champion der WBO, doch entthronte ihn Sultan Ibragimow im Juni 2007 bereits bei der ersten Titelverteidigung.

Nach dieser deprimierenden Niederlage legte Briggs eine Pause von zweieinhalb Jahren ein, bevor er wieder in den Ring zurückkehrte. Im Dezember 2009 besiegte er Marcus McGee in der ersten Runde, wurde aber positiv auf eine verbotene Substanz getestet. Er willigte ein, den Kampf "ohne Wertung" zu verbuchen, und wurde im Gegenzug von der New Yorker Boxkommission nur kurz suspendiert und mit einer milden Geldstrafe belegt. Darauf folgten zwei Siege in Aufbaukämpfen, die ihn bis auf Nummer acht der WBC-Rangliste voranbrachten.

Dort entdeckte ihn Vitali Klitschko, der nach seinem Sieg über den wenig bekannten Polen Albert Sosnowski wieder einmal auf der Suche nach einem namhafteren Herausforderer war. Das Duell mit Briggs war die fünfte Titelverteidigung des Ukrainers seit seinem Comeback im Oktober 2008, bei dem er Samuel Peter den Gürtel abgenommen hatte. Danach besiegte er den Kubaner Juan Carlos Gomez, der damals beim Arena-Boxstall unter Vertrag stand, und den US-Amerikaner Cristobal Arreola vorzeitig, worauf er Kevin Johnson nach Punkten bezwang. Zuletzt hatte er seinen Titel mit einem K.o.-Sieg in der zehnten Runde erfolgreich gegen Sosnowski verteidigt.

Am 16. Oktober 2010 kam es vor 14.500 Zuschauern in Hamburg zu einem außerordentlich einseitigen Kampf gegen Shannon Briggs, den der Ukrainer einstimmig nach Punkten gewann. Alle zwölf Runden gingen an den Titelverteidiger, wobei jeder der drei Punktrichter mindestens einen Durchgang mit dem eigentlich für Niederschläge reservierten 10:8 notiert hatte, weil die Überlegenheit des Champions drückend war. Dennoch ging Briggs nicht zu Boden, wofür man ihm außergewöhnliche Nehmerqualitäten, jedoch ebensogut eine nicht zu rechtfertigende Gefährdung seiner Gesundheit attestieren konnte.

Dem Vernehmen nach hatte der Weltverband WBC bei der Regelbesprechung vor dem Kampf gefordert, diesen nur im äußersten Notfall abzubrechen. Dem schlossen sich offenbar die Betreuer des Herausforderers mit dem ausdrücklichen Wunsch an, so lange wie irgend möglich durchzuhalten. Obgleich Briggs chancenlos gegen Klitschko war, hielt er zwölf Runden lang stoisch dessen Schlägen stand. Aus seiner Ecke flog kein Handtuch in den Ring, der Referee nahm ihn nicht aus dem Kampf, und der Arzt schritt nicht ein.

Nach dem Kampf brach Briggs in der Kabine zusammen und wurde umgehend in die Uniklinik Eppendorf gebracht, wo man per Computertomographie abklärte, ob es zu einer Gehirnblutung gekommen war. Wie der Ringarzt Dr. Stephan Bock berichtete, sei Briggs benommen gewesen, habe an Schwindel und Kopfschmerzen gelitten und Kreislaufreaktionen wie verminderten Blutdruck und Puls gezeigt. Daher ging der Mediziner von einer Gehirnerschütterung aus, die sich bei der Diagnose im Krankenhaus bestätigte. Aufgrund der vorgenommenen Untersuchung konnte die befürchtete Gehirnblutung ausgeschlossen werden, doch hatte sich der Amerikaner je eine Fraktur unter dem rechten und über dem linken Auge sowie einen Sehnen- und Muskelriß im rechten Arm zugezogen.

Briggs werde nach diesen vielen Schlägen nicht mehr derselbe sein, befürchtete Klitschkos Trainer Fritz Sdunek, der harsche Kritik an den Betreuern des Gegners übte. Es schmerze ihn, dort drüben derart brutale Menschen zu sehen, die ihren chancenlosen Boxer einfach weitermachen ließen. Spätestens nach der zehnten Runde hätte er seinen Schützling in einer solchen Situation aus dem Ring genommen. Der Ringarzt räumte unumwunden ein, er habe nach der sechsten Runde Angst um Briggs gehabt. Hätte der Ringrichter nach seinem Rat gefragt, wäre die Empfehlung spätestens nach der zehnten Runde Abbruch gewesen.

Der britische Ringrichter Ian John-Lewis erklärte hinterher, daß der Kampf "ein bis zwei Schläge vom Abbruch entfernt" gewesen sei. Er legte die sporadischen Angriffsansätze des Herausforderers dahingehend aus, daß dieser noch nicht kampfunfähig war, und ermahnte Briggs lediglich zur Aktivität. Das seien harte Jungs, argumentierte der Referee zynisch, und solange einer zurückschlage, müsse man ihm eine Chance lassen.

Nun nimmt Shannon Briggs, der seit dem verlorenen Titelkampf gegen Vitali Klitschko dreieinhalb Jahre nicht mehr im Ring gestanden hatte, noch einmal einen neuen Anlauf. Ursprünglich sollte das Comeback des inzwischen 42jährigen New Yorkers bereits am 23. Februar stattfinden, wobei als Gegner Rafael Pedro ausgewählt worden war. Probleme mit der Lizenz verhinderten jedoch diesen Auftritt. Als Ersatz wurde Maurenzo Smith verpflichtet, der bereits als Aufbaugegner für Andy Ruiz jun., Charles Martin und Joey Abell hergehalten hatte. Was Smiths durchwachsene Bilanz von zwölf Siegen, acht Niederlagen und drei Unentschieden befürchten ließ, trat umgehend ein: Briggs schickte seinen Gegner bereits in der ersten Runde auf die Bretter, nachdem er trotz seines Alters recht behende zur Sache gegangen war und mehrere Körpertreffer erzielt hatte. Der New Yorker verbesserte damit seine Bilanz auf 52 gewonnene und sechs verlorene Auftritte sowie ein Unentschieden. Der nächste Kampf des letzten amerikanischen Schwergewichtsweltmeisters soll bereits in Kürze über die Bühne gehen und wird ihn hoffentlich mit einem etwas anspruchsvolleren Gegner zusammenführen. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/5796-erfolgreiches-comebackex-weltmeister-briggs-feiert-erstrunden-ko.html

16. April 2014