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MELDUNG/1444: Auch Paradiesvögel müssen manchmal Federn lassen (SB)




David Haye sehnt sich nach dem Rampenlicht

Im September will der inzwischen 33 Jahre alte David Haye in den Ring zurückkehren. Der frühere WBA-Weltmeister im Schwergewicht hat seit Juli 2012 keinen Kampf mehr bestritten. Damals besiegte er seinen britischen Landsmann Dereck Chisora in der fünften Runde. Ein 2013 geplantes Duell mit Tyson Fury sagte er zweimal wegen Verletzungen ab, worauf es endgültig gestrichen wurde. Während im ersten Fall eine im Sparring davongetragene Rißwunde als Grund angegeben wurde, legte beim zweiten Mal eine notwendig gewordene Schulteroperation die Karriere des Londoners für geraume Zeit auf Eis.

Fury sei auf absehbare Zeit für ihn kein Thema mehr, erteilt der Exweltmeister dieser Option nun eine klare Absage. Er habe diesen Kampf im vergangenen Jahr geplant, um in Übung zu bleiben und die Fans bei Laune zu halten. Nachdem dieses Duell jedoch zweimal nicht zustande gekommen war, trete Fury jetzt gegen Chisora an. Vom Ausgang dieses Kampfs hänge Tyson Furys weiterer Karriereweg ab. Er drücke ihm zwar die Daumen, sei aber nicht sicher, ob Fury sich gegen den Europameister durchsetzen kann. Sollte es ihm nicht gelingen, Chisora zu schlagen und dann auch noch Wladimir Klitschko die Titel abzunehmen, sei er im Grunde kein interessanter Gegner mehr. [1]

Wenngleich Hayes zweimalige Absage des geplanten Kampfs gegen Tyson Fury längst Schnee von gestern ist, werden doch damals zum Ausdruck gebrachte Zweifel an den von ihm ins Feld geführten Gründen jetzt wieder laut. Während im zweiten Fall die notwendige Operation an der Schulter eine schwerwiegende Verletzung hieb- und stichfest belegt, ist nicht restlos auszuschließen, daß die erste Blessur ein willkommener Anlaß war, den Kampf zu verschieben. Haye trainierte damals mit hochgewachsenen Sparringspartnern wie Richard Towers und Deontay Wilder, die den 2,06 m großen Fury simulierten. Möglicherweise gelangte Trainer Adam Booth zu dem Schluß, daß sein Schützling noch nicht bereit sei, mit solchen Riesen zurechtzukommen.

Da man eine andere als die offizielle Version jedoch nie in Erfahrung bringen wird, ist es müßig, sich weiter in solchen Spekulationen zu ergehen. Überdies sind Ungereimtheiten und Eskapaden ohnehin integrale Bestandteile der Selbstinszenierung David Hayes, dem man jedenfalls nicht absprechen kann, frischen Wind in die triste Szene gebracht zu haben. Er polarisiert das Publikum und boxt zumeist spektakulär, so daß bei seinen Auftritten stets für gute Unterhaltung gesorgt ist.

Wer sein nächster Gegner sein könnte, ist derzeit noch offen, wobei lediglich Wladimir Klitschko, Tyson Fury und Dereck Chisora auszuschließen sind. Denkbar wäre sein Landsmann David Price, der seit einiger Zeit bei Sauerland Event unter Vertrag steht, oder der aufstrebende Australier Lucas Browne, der in England Furore macht, indem er dort unter der zweiten Garnitur aufräumt. Auch der ungeschlagene US-Amerikaner Andy Ruiz wäre eine attraktive Option. Vergleichsweise leichtere, aber dennoch gut bekannte Gegner wären der 45jährige Veteran Antonio Tarver und der drei Jahre jüngere Shannon Briggs, der sich nach einer ausgiebigen Pause zurückgemeldet hat. Nicht zu spaßen wäre mit Eddie Chambers, der gewissermaßen mit einem Bein im Schwer- und dem anderen im Cruisergewicht steht, weshalb er entsprechend behende und technisch versiert zu boxen versteht. [2]

Da Wladimir Klitschko mit Sicherheit kein zweites Mal gegen David Haye antreten wird, bleiben die Titel des Ukrainers für den Briten vorerst unerreichbar. Reizvoll wäre daher der Gürtel des WBC, der im nächsten Schritt zwischen dem amtierenden Weltmeister Bermane Stiverne aus Kanada und dem ungeschlagenen US-Amerikaner Deontay Wilder ausgefochten wird. Klitschko trifft im September auf den Pflichtherausforderer der IBF, Kubrat Pulew, und will sich danach die letzte Trophäe sichern, die noch in seiner Gürtelsammlung fehlt. Daher wird sich das Zeitfenster mit hoher Wahrscheinlichkeit schließen, bevor David Haye für einen Kampf um den WBC-Titel bereit ist.

Realistisch gesehen geht es für ihn erst einmal darum zu prüfen, ob er noch in der körperlichen Verfassung für eine erfolgversprechende Fortsetzung seiner Karriere ist. Was seine finanzielle Situation betrifft, dürfte er durch die hochdotierten Kämpfe gegen Wladimir Klitschko und Dereck Chisora ausgesorgt haben. Wie viele seiner Zunftgenossen liebt er jedoch das Rampenlicht so sehr, daß er seiner Erklärung, er werde seine Laufbahn klugerweise rechtzeitig und bei guter Gesundheit beenden, nicht treu geblieben ist. Nachdem es Haye seit vielen Jahren gelungen ist, keine schwere Niederlage zu beziehen, wünscht man ihm die selbstkritische Einsicht, es nicht darauf ankommen zu lassen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6131-david-haye-fury-interessiert-mich-nicht-ausser-er-schlaegt-klitschko.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/06/david-haye-is-the-real-deal/

2. Juli 2014