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MELDUNG/1451: Verlieren heißt nicht verlieren ... (SB)




George Groves landet auf den Füßen

Der Berliner Promoter Sauerland Event engagiert sich seit mehreren Jahren in Skandinavien und nun auch verstärkt auf der britischen Insel. Sollte der zum Jahresende auslaufende Vertrag mit dem Fernsehpartner ARD nicht verlängert werden, bestünde Hoffnung, durch diese Internationalisierung der geschäftlichen Präsenz dem im Falle fehlender Finanzierung drohenden Niedergang des Unternehmens etwas entgegenzusetzen. Mitte Mai gab Sauerland eine spektakuläre Neuverpflichtung in Gestalt des britischen Supermittelgewichtlers George Groves bekannt, der vor dem Sprung in die Weltspitze stand.

Der 26jährige Brite wechselte nach einer recht erfolgreichen Amateurlaufbahn 2008 ins Profilager, wo er zunächst bei den Hayemaker Promotions, später bei Frank Maloney, Frank Warren und schließlich bei Eddie Hearn unter Vertrag stand. So ungewöhnlich wie dieser Marsch durch die Sphäre der namhaftesten britischen Promoter war der rasante Aufstieg durch die sportlichen Etagen seiner Gewichtsklasse, der schließlich vor den Fäusten seines Landsmanns Carl Froch endete. Der amtierende Weltmeister der Verbände WBA und IBF besiegte den aufstrebenden Erzrivalen am 23. November 2013 in Manchester und auch bei der Revanche am 31. Mai vor der spektakulären Kulisse von mehr als 80.000 Zuschauern im ausverkauften Londoner Wembley-Stadion.

Groves, der damit nach 19 Siegen zwei vorzeitige Niederlagen in Folge einstecken mußte, sieht sich zu einem neuen Anlauf auf niedrigerem Niveau genötigt. Am 20. September trifft er in London in der SSE Arena, besser unter dem traditionellen Namen Wembley Arena bekannt, auf den Europameister Christopher Rebrasse. Der Franzose tritt mit 22 Siegen, zwei Niederlagen und zwei Unentschieden im Gepäck an, wobei noch interessanter als sein EBU-Titel der für den Sieger ausgeschriebene Silbergürtel des WBC ist. Setzt sich der Brite durch, wäre er also Pflichtherausforderer des Weltmeisters bei diesem Verband.

Die naheliegende Frage, aus welchen Gründen ein Boxer nach zwei vorzeitigen Niederlagen in Folge sofort diese Chance bekommt, läßt sich anhand welcher Statuten und Regularien auch immer schwerlich beantworten. Diese sind nur insofern von Bedeutung, als sie von den einflußreichen Akteuren der Branche nach Möglichkeit so ausgesteuert werden, daß sie deren Wünschen genügen.

Der Brite freut sich natürlich, am Ball bleiben zu können, und räumt ein, daß es beim letzten Mal in Wembley nicht so gut für ihn gelaufen sei. Im Boxen könne eben ein einziger Schlag die Entscheidung herbeiführen, und er habe leider einen derartigen Volltreffer abbekommen. Diese Version ist allerdings nur die halbe Geschichte, da Groves nicht näher darauf eingeht, wie es zu diesem Niederschlag gekommen ist. Selbstkritik war jedoch noch nie die Stärke des verhinderten Champions, und so betont er bereits im nächsten Satz, daß er zur Elite seiner Gewichtsklasse gehöre. Er blicke ab sofort nur noch nach vorn und werde am 20. September das Projekt Weltmeisterschaft von neuem starten.

Dem 28 Jahre alten Christopher Rebrasse kommt aus Perspektive des Londoners lediglich eine Statistenrolle zu, was den Franzosen zu der lapidaren Entgegnung veranlaßt, ihm sei es egal, ob der Ring in England oder Frankreich steht. Das stimmt insofern nicht, als sich mit Groves in London sehr viel mehr Geld verdienen läßt, als bei irgendeiner anderen Option, die in der Reichweite des Europameisters läge. Rebrasse weiß nur zu gut, daß er das Trittbrett für den Wiederaufstieg des Briten abgeben soll, setzt aber alles auf diese lukrative Karte: Er riskiere viel, könne aber noch mehr dabei gewinnen.

Unterdessen zieht Promoter Kalle Sauerland zufrieden Bilanz: Man habe im Team lange darauf hingearbeitet, erstmals in Britannien eine solche Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Es sei um so erfreulicher, daß ein exzellenter Boxer wie George Groves den Hauptkampf bestreiten wird. Groves habe bei seinen letzten Auftritten im Ring klar bewiesen, daß er zum Besten gehört, was der Boxsport derzeit zu bieten hat. [1]

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Im Rückblick muten manche Pläne sogar zweckmäßig an

Jack Culcay, der es im Amateurlager zum Weltmeister gebracht hat, nimmt nun bei den Profis die Europameisterschaft ins Visier. Am 16. August trifft der 28jährige Halbmittelgewichtler in der Erfurter Messehalle auf den in zehn Kämpfen ungeschlagenen Titelverteidiger Isaac Real aus Spanien. Für den Herausforderer aus dem Team Sauerland, der den interkontinentalen Titel der WBA bereits mehrfach verteidigt hat, stehen 17 Siege und eine Niederlage zu Buche.

Das sei eine Chance, auf die er schon lange hinarbeite, so Culcay. Er habe bereits 2013 angekündigt, daß er ein Jahr später Europameister werden wolle, worauf es 2015 um die Weltmeisterschaft gehen soll. Natürlich dürften solche Pläne nicht dazu verführen, den kommenden Gegner zu unterschätzen. So studiere er bereits ausgiebig die Stärken und Schwächen des Europameisters, um ihn auf spektakuläre Weise besiegen zu können.

Diese Ankündigung bleibt natürlich nicht unwidersprochen, und so erinnert der Spanier daran, daß er den Gürtel im Mai durch einen vorzeitigen Sieg über den Italiener Emanuele De La Rosa in Rom gewonnen hat. Wer ihm damals eine klare Niederlage vorhergesagt habe, sei eines Besseren belehrt worden. Nicht anders werde es bei seiner ersten Titelverteidigung zugehen. Er wolle Culcay auf den Boden der Tatsachen herunterholen, nämlich auf die Bretter schicken. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxen.com/news-archiv/newsdetails/article/groves-boxt-in-wembley.html

[2] http://www.boxen.com/news-archiv/newsdetails/article/culcay-greift-nach-em/23.html

10. Juli 2014