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MELDUNG/1522: War das Chad Dawsons Abschiedsvorstellung? (SB)




Früherer Weltmeister unterliegt zweitklassigem Tommy Carpency

Der US-amerikanische Halbschwergewichtler Chad Dawson hatte einst Floyd Mayweather jun. als sein großes Vorbild bezeichnet und diesem zumindest in Gestalt eines aufwendigen Lebensstils nachgeeifert. Er wurde zeitweise bereits als dessen Nachfolger im Ring gehandelt und sah sich selbst fast schon auf Augenhöhe mit dem Superstar. In einem der spektakulärsten Auftritte seiner Karriere besiegte er am 28. April 2012 in Atlantic City den 18 Jahre älteren Bernard Hopkins bei der Revanche und wurde damit neuer WBC-Weltmeister.

Am 8. September 2012 kam es in Oakland zu einem der bedeutendsten Kämpfe des Jahres. Vor heimischem Publikum traf der in 25 Auftritten ungeschlagene WBA/WBC-Weltmeister im Supermittelgewicht, Andre Ward, auf Chad Dawson, der mit einer Bilanz von 31 Siegen und einer Niederlage WBC-Champion im Halbschwergewicht war. Beide galten als weltbeste Boxer ihrer Gewichtsklasse. Der 28jährige Ward ging mit zwei Vorteilen in dieses Duell: Zum einen wurde in seinem Limit gekämpft, so daß sein Gegner mehr Gewicht als üblich reduzieren mußte. Zum andern stand wie so oft in der Vergangenheit der Heimvorteil für ihn zu Buche, der ihm mehr als einmal die Gunst des Kampfgerichts beschert hatte. Ward behielt in diesem Prestigekampf dank einer überzeugenden technischen und taktischen Leistung durch Abbruch in der zehnten Runde die Oberhand.

Chad Dawson, dessen WBC-Titel nicht zur Disposition gestanden hatte, verteidigte den Gürtel am 8. Juni 2013 in Montreal gegen den Kanadier Adonis Stevenson. Der mit Spannung erwartete Kampf fand bereits in der ersten Runde ein jähes Ende, als der Lokalmatador seinen Gegner auf die Bretter schickte. Während der aus dem Supermittelgewicht aufgestiegene Stevenson damit auf Anhieb Weltmeister im höheren Limit wurde, war Dawson nach zwei vorzeitigen Niederlagen in Folge auf einem Tiefpunkt angelangt.

Am 22. Juni 2014 trat Chad Dawson auf einer vom Sender Showtime übertragenen Veranstaltung im kalifornischen Carson in sichtlich schlechter körperlicher Verfassung an. Er hatte beim offiziellen Wiegen das vereinbarte Gewicht überschritten und war dafür mit einem 20prozentigen Abzug seiner ohnehin dürftigen Börse von nur 15.000 Dollar bestraft worden. Über Nacht legte er durch Flüssigkeitsaufnahme fast 20 Pfund zu, so daß er nun wie ein aus der Form geratener Cruisergewichtler wirkte.

Ob er unter diesen Umständen zehn Runden gegen einen anspruchsvollen Gegner überstanden hätte, blieb eine hypothetische Frage. Dawson schickte den 39jährigen George Blades in der ersten Runde dreimal zu Boden, worauf der Ringrichter einschritt und den Kampf abbrach. Damit verbesserte der Exweltmeister seine Bilanz auf 32 Siege und drei Niederlagen, doch verblaßte der an sich überzeugende Sieg hinter der Mutmaßung, daß Chad Dawson die Vorbereitung nicht allzu ernst genommen haben konnte. Er machte zumindest in körperlicher Hinsicht nicht den Eindruck, als wolle er die Rückschläge in der jüngeren Vergangenheit um jeden Preis vergessen machen.

Auf einer Veranstaltung in Mashantucket, Connecticut, stieg Chad Dawson gestern mit Tommy Karpency in den Ring. Der 32jährige Exweltmeister konnte sich keine Niederlage leisten, wollte er seiner Karriere noch einmal Schub verleihen. Als Nummer 14 der WBC-Rangliste hatte er sich inzwischen weit von einem Titelkampf entfernt, doch formulierte er den ambitionierten Plan, in einer Revanche auf Adonis Stevenson zu treffen. Der 28 Jahre alte Karpency hatte gegen den Waliser Nathan Cleverly und den Polen Andzej Fonfara verloren, dann aber gegen die wenig bekannten Dhafir Smith und Rayco Saunders gewonnen. Er galt in diesem Kampf als Außenseiter, der Dawson fordern, aber nicht besiegen würde. [1]

Tommy Karpency hielt jedoch recht gut mit, wobei er allerdings davon profitierte, daß sich Chad Dawson eigenen Angaben zufolge in der dritten Runde an der linken Schulter verletzt hatte. In der siebten Runde verschlimmerte sich diese Verletzung offenbar, so daß Dawson in der Folge seine linke Hand kaum noch einsetzen konnte. Daraufhin mußte er im folgenden Durchgang etliche schwere Treffer einstecken. Er behauptete sich dennoch recht gut und ließ den Gegner nicht zur Entfaltung kommen, hielt sich aber in der zehnten und letzten Runde zu sehr zurück.

Das sollte sich als verhängnisvoll erweisen, da die Punktrichter Tommy Karpency knapp mit 2:1 den Zuschlag gaben (96:94, 96:94, 94:96). [2] Wenngleich unter unglücklichen Umständen hatte Chad Dawson damit gegen einen zweitklassigen Gegner verloren, so daß ein Wiederaufstieg an die Spitze des Halbschwergewichts fast unmöglich, ein Ende der Karriere hingegen in greifbare Nähe gerückt zu sein scheint.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/10/chad-dawson-hoping-to-get-world-title-shot-within-2-more-fights/#more-182714

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/10/tommy-karpency-edges-chad-dawson/#more-182725

5. Oktober 2014