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MELDUNG/1525: Wer schmiedet den perfekten Plan? (SB)




Saul Alvarez legt eine lange Pause bis Anfang Mai 2015 ein

Wie der Präsident der Golden Boy Promotions, Oscar de la Hoya, mitgeteilt hat, wird Saul "Canelo" Alvarez aller Voraussicht nach seine Verletzung am Fußgelenk zunächst in aller Ruhe auskurieren und erst Anfang Mai 2015 in den Ring zurückkehren. Dann hofft der 24 Jahre alte Halbmittelgewichtler, einen spektakulären und lukrativen Kampf gegen Miguel Cotto, den amtierenden WBC-Weltmeister im Mittelgewicht, bestreiten zu können. Ursprünglich war der nächste Auftritt des jungen Mexikaners für den 6. Dezember geplant, wobei er auf Joshua Clottey treffen sollte. Alvarez sagte dieses Duell jedoch vor wenigen Tagen unter Verweis auf jene Verletzung ab, die ihm schon vor seinem letzten Kampf gegen Erislandy Lara im Juli zu schaffen gemacht habe. Nach den Worten Dan Rafaels vom Sender ESPN rieten die behandelnden Ärzte, eine sechswöchige Trainingspause einzulegen und danach mit der Physiotherapie zu beginnen.

Oscar de la Hoya unterstützt die Entscheidung seines Boxers, sich gesundheitlich vollständig wiederherzustellen, da "Canelo" ein wegweisendes Jahr seiner Karriere vor sich habe. Alvarez steuere 2015 geradewegs einen bedeutenden Kampf an und sei deshalb gut beraten, zuvor alle körperlichen Einschränkungen auszuräumen. Die Verletzung sei nur ein geringfügiger Rückschlag, ein Kampf gegen Miguel Cotto die eindrucksvollste Option. "Canelo" brenne darauf, am Wochenende des Cinco de Mayo zu kämpfen.

Demnach ist Saul Alvarez nach wie vor fest entschlossen, nahe des wichtigsten Feiertags der mexikanischstämmigen Einwanderer in den USA aufzutreten und damit in direkte Konkurrenz mit Floyd Mayweather zu treten, der diesen Termin Anfang Mai sowie einen zweiten Feiertag Mitte September gewissermaßen für sich gepachtet hat. Da das hispanische Boxpublikum einen erheblichen Teil der Einnahmen generiert und sich die wenigsten Fernsehzuschauer zwei teure Buchungen am selben Abend leisten können, läuft diese terminliche Konfrontation auf einen regelrechten Machtkampf um die Gunst der Zuschauerschaft zwischen Alvarez (HBO) und Mayweather (Showtime) hinaus.

Leidtragender ist der 37jährige Joshua Clottey, dem damit nicht nur die Einkünfte des ausgefallenen Dezemberkampfs entgehen. Offensichtlich kann er nicht damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt zum Zuge zu kommen. Für das breitere Boxpublikum ist die veränderte Situation indessen kein Verlust, da Alvarez weithin dafür kritisiert wurde, sich einen Gegner ausgesucht zu haben, der den Zenit seines Könnens längst überschritten hat. Lieber hätte man wenigstens einen Kontrahenten vom Schlage James Kirklands gesehen, obgleich auch er seit Dezember 2013 nicht mehr im Ring gestanden hat.

Clottey hat seit seiner Niederlage gegen den Philippiner Manny Pacquiao, die bereits vier Jahre zurückliegt, lediglich drei Kämpfe bestritten. Daß ihn Golden Boy dennoch als Gegner für Alvarez ausgesucht hatte, empfanden viele Kritiker als eine fast ebenso schlechte Wahl wie jene Alfredo Angulos im Frühjahr, der im Kampf gegen Alvarez heillos überfordert war. Wenn De la Hoya schon die Ankündigung im Munde führt, "Canelo" sei das nächste Aushängeschild des Boxens, sollte man doch erwarten, daß dieser gegen die namhaftesten Konkurrenten antritt und nicht leichtes Spiel mit Joshua Clottey serviert bekommt.

Daß Alvarez schon mit 24 Jahren an einer offenbar langwierigen Verletzung laboriert, ist ein schlechtes Zeichen, da man solche Verschleißfolgen eher in einem späteren Stadium der Karriere erwarten würde. So steht nur zu hoffen, daß es vorerst bei einer einzigen Absage bleiben wird und dies nicht der Auftakt zu weiteren Ausfällen ist. Sollte es den Golden Boy Promotions tatsächlich gelingen, einen Kampf gegen den nicht minder populären Miguel Cotto zu arrangieren, träte Alvarez mit dem Handicap einer vorangegangenen Zwangspause an. Das gälte jedoch gleichermaßen für den Puertoricaner, der zuletzt im Juni aufgetreten ist und dabei dem Argentinier Sergio Martinez den WBC-Titel abgenommen hat. [1]

Die Kontroverse um die Frage, wie Cottos Titelgewinn einzuschätzen sei, ist nach wie vor nicht ausgestanden. Wenngleich der Puertoricaner eine souveräne Vorstellung geboten und in der zehnten Runde gewonnen hat, wirkte Martinez doch von Beginn an instabil auf den Beinen, da sein operiertes rechtes Kniegelenk der Belastung nicht standzuhalten schien. Cotto überraschte ihn mit einem frühzeitigen Niederschlag, worauf Martinez in keiner Phase des Kampfes jene Beweglichkeit erkennen ließ, die ihn früher ausgezeichnet und zum weltbesten Boxer des Mittelgewichts gemacht hat.

Miguel Cottos letzter richtiger Kampf war seine Niederlage gegen Austin Trout im Dezember 2012. Seither hat er lediglich gegen den überforderten Delvin Rodriguez und eben Sergio Martinez gekämpft, der nach mehr als einjähriger Verletzungspause erkennen mußte, daß seine strapazierte Physis ein Karriereende nahelegt. Ob Cotto tatsächlich unter Trainer Freddie Roach einen zweiten Frühling erlebt, wird sich folglich erst erweisen, wenn er auf Saul Alvarez trifft.

Aus Sicht des Mexikaners ist Cotto vermutlich die ideale Wahl, sich als Rivale Floyd Mayweathers und dessen Erbe in Szene zu setzen, sehr viel Geld zu verdienen und einen außerordentlich populären Gegner zu besiegen, der eben doch nicht so gefährlich wie Mayweather, Gennadi Golowkin und eine Reihe weiterer Kandidaten ist, die "Canelos" boxerische Grenzen aufzeigen könnten. Das Vorhaben Oscar de la Hoyas und seines wichtigsten Boxers ist so ausgefeilt, wie der Versuch nur sein kann, dem Unwägbaren Zügel anzulegen. Sollte es funktionieren, wird man von einem perfekten Plan sprechen, der natürlich aufgegangen sei. Geht es schief, findet man sicher andere Erklärungen, die im Rückblick den Eindruck erwecken, das Debakel sei absehbar gewesen und folgerichtig eingetreten.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/10/de-la-hoya-says-canelo-will-likely-wait-until-may-2015-for-cotto-before-fighting-again/#more-182815

8. Oktober 2014