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MELDUNG/1595: Kubanische Boxkunst zu gut für das US-Geschäft? (SB)




Guillermo Rigondeaux muß nach Japan ausweichen

Guillermo Rigondeaux, der zwei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen gewonnen hat und damit zu den herausragenden Amateurboxern seiner Ära gehörte, sieht sich im Profilager mit völlig anderen und für ihn äußerst widrigen Verhältnissen konfrontiert. Während bei bedeutenden Turnieren im Amateurbereich zwangsläufig die weltbesten Akteure aufeinandertreffen, werden professionelle Karrieren nach strategischen Erfolgsmaximen konstruiert, denen zufolge man allzu gefährlichen Konkurrenten tunlichst aus dem Weg geht. Wer endlich einen Titel gewonnen hat, ist in der Regel zuallererst bestrebt, ihn möglichst lange zu behalten und viel Geld zu verdienen. Aus diesem Grund wird die Konfrontation mit anderen Weltmeistern derselben Gewichtsklasse häufig vermieden, während man sich statt dessen leichtere Gegner aussucht. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Champion wie der Kubaner sein Können so eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, daß die Aussichten, ihm den Gürtel abzujagen, äußerst dürftig ausfallen.

Da der 34jährige Rigondeaux als Weltmeister der Verbände WBA und WBO im Superbantamgewicht derzeit keine attraktiven und hochdotierten Kämpfe in den USA bekommt, wich er bei seinem jüngsten Auftritt nach Japan aus, wo er in Osaka auf Hitashi Amagasa traf. Damit stieg der amtierende Champion nicht nur vor dem Heimpublikum des Herausforderers in den Ring, sondern maß sich zudem mit einem wesentlich größeren Gegner, der aus dem Federgewicht kommt. Wie der Kubaner im Vorfeld dieses Auftritts im Gespräch mit Dan Rafael von ESPN.com erklärt hatte, trage er bereits den zweiten Kampf binnen einen Jahres in Asien aus. Er sei sehr frustriert, weil die anderen Weltmeister offenbar Angst vor ihm hätten und sich weigerten, gegen ihn anzutreten. Daß es nicht gelungen sei, einen hochwertigen Gegner zu finden, empfinde er als würdelos. Daher danke er Amagasa dafür, eine Gewichtsklasse herunterzukommen und ihn herauszufordern. [1]

Die vielfach kolportierte Einschätzung, Rigondeaux reise behelfsweise nach Japan, um einen leichten Gegner zu besiegen und abzukassieren, traf zwar im großen und ganzen zu, ließ aber die körperlichen Vorteile des Herausforderers außer acht. So hatte der Kubaner zumindest phasenweise mehr Mühe als erwartet, sich schließlich gegen den Japaner durchzusetzen. Der 29jährige Amagasa nutzte seine Reichweitenvorteile konsequent aus und schickte den Weltmeister in der siebten Runde zweimal auf die Bretter, so daß eine Sensation in der Luft lag.

Schon im folgenden Durchgang erwies sich jedoch, daß der Kubaner durchaus in der Lage war, den Spieß umzudrehen. Er schlug nun verstärkt mit der Linken zum Körper und Kopf des Herausforderers, der diesen variablen Angriffen wenig entgegenzusetzen hatte. In der zehnten Runde ging der inzwischen ausgepumpt wirkende Japaner zu Boden, dessen rechtes Auge beinahe zugeschwollen war. Im elften Durchgang mußte Amagasa derart viele Treffer einstecken, daß seine Betreuer es vorzogen, ihn in der Pause aus dem Kampf zu nehmen. Das war eine weise Entscheidung, da der Herausforderer die zwölfte Runde kaum überstanden hätte.

Damit verteidigte Rigondeaux erfolgreich die beiden Titel und verbesserte seine makellose Bilanz auf 15 gewonnene Kämpfe, während für den Japaner nunmehr 28 Siege, fünf Niederlagen sowie zwei Unentschieden notiert werden. Auffallend war an diesem Kampf insbesondere, daß der Kubaner der Kritik Rechnung getragen hatte, er spiele immer nur seine technischen Vorteile aus, biete dem Publikum aber keine spannenden Auftritte. Man darf wohl davon ausgehen, daß er mit seiner gewohnten Kampfesweise nicht in die Schwierigkeit geraten wäre, Niederschläge hinnehmen zu müssen. Er war ungewohnt offensiv zu Werke gegangen, hatte seinem Gegner und den Zuschauern in Osaka Augenblicke der Euphorie gegönnt, um in der Folge eindrucksvoll zu demonstrieren, daß er auch einen körperlich weit überlegenen Kontrahenten unter Kontrolle bringen und zur Aufgabe zwingen kann. [2]

Insofern war es also weit mehr als ein bloßer Zahltag, den Rigondeaux bei seinem Auftritt in Japan mitgenommen hatte. Es war ein deutliches Signal an seine prominenten Konkurrenten, daß der Tag noch in weiter Ferne liegt, an dem seine körperliche Verfassung derart nachgelassen hat, daß sie es ohne größere Probleme mit ihm aufnehmen können. Der vielfach geäußerte Vorwurf, er boxe schlichtweg zu langweilig, ist ohnehin fragwürdig. Verglichen mit dem überaus populären US-Amerikaner Terence Crawford ist der Kubaner eindeutig der unterhaltsamere Boxer. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß Crawford vor seinem heimischen Publikum in Omaha, Nebraska, von einer großen Fangemeinde unterstützt wird, die ihn auch dann rückhaltlos bejubelt, wenn er seine Gegner unspektakulär ausboxt.

Rigondeaux hat Nonito Donaire über zwölf Runden regelrecht deklassiert und dabei den hoch gehandelten Favoriten des Senders HBO geradezu entzaubert. Nach diesem Kampf setzte Donaires Promoter Bob Arum das Gerücht in Umlauf, in der Führungsetage von HBO sei man sehr unzufrieden mit der Kampfesweise des Kubaners. In der Folge bekam Rigondeaux nur noch einen einzigen weiteren Auftritt bei diesem Sender, der ihm zudem den völlig überforderten Joseph Agbeko vorsetzte. Dieser hatte in den zurückliegenden beiden Jahren lediglich zwei Kämpfe bestritten und war eine allzu leichte Beute für den Weltmeister, der jede einzelne Runde für sich entscheiden konnte.

Rigondeauxs nächster Kampf, bei dem er im Juli auf Sod Kokietgym traf, erwies sich vollends als fehlbesetzt. Der Herausforderer machte den Eindruck, als sei er gerade erst aus dem Bett gestiegen, und mußte bereits in der ersten Runde die Segel streichen. Danach folgte eine lange Durststrecke für den Kubaner, der einfach keinen angemessenen Gegner mehr fand, der ein auch nur halbwegs ausgeglichenes Duell in Aussicht gestellt hätte. So blieb Guillermo Rigondeaux der vermutlich beste Akteur dieser Gewichtsregion, der gerade deswegen mangels Unterstützung der Sender und einflußreichen Promoter keine bedeutenden Kämpfe mehr bekommt und sich mit relativ geringen Börsen bescheiden muß.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/12/rigondeaux-battles-amagasa-on-wednesday-in-osaka-japan/#more-186140

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/12/rigondeaux-stops-amagasa-in-11th/#more-186144

2. Januar 2015


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