Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1619: Frugales Mahl statt Luxusmenü (SB)




Kell Brook zieht den Pflichtherausforderer Ionut Dan Ion vor

Am 16. August 2014 gelang es Kell Brook, im kalifornischen Carson durch einen knappen Punktsieg gegen Shawn Porter den Titel der IBF im Weltergewicht aus den USA auf die britische Insel zu entführen. Damit blieb der neue Weltmeister in 33 Profikämpfen ungeschlagen und konnte darangehen, sich in der gegenwärtig attraktivsten und lukrativsten Gewichtsklasse zu etablieren. Der zuvor ebenfalls unbesiegte US-Amerikaner mußte nach 24 Siegen und einem Unentschieden die erste Niederlage seiner Karriere hinnehmen. Die Mehrzahl der Experten hatte Porter zum Favoriten erklärt, was den Erfolg des Briten bei seinem Gastspiel auf fremdem Boden um so bemerkenswerter machte.

Die rückblickende Bewertung des vielbeachteten Duells in Südkalifornien zeichnete sich durch eine deutliche Polarisierung aus. Einige Experten sprachen von einer Dominanz des talentierten Briten, der Porter restlos überfordert habe. Diesem habe es an Mitteln gefehlt, dem athletisch und technisch überlegenen Gegner etwas entgegenzusetzen. Hingegen machten Kritiker des neuen Champions geltend, daß dieser jedesmal sofort geklammert habe, sobald ihm der Titelverteidiger zu nahe gekommen sei. Statt Brook dafür mit einem Punktabzug zu bestrafen, habe ihn der Ringrichter gewähren lassen und ihm damit den unverdienten Sieg geschenkt.

Dem in Sheffield trainierenden Briten schienen nach diesem Durchbruch jedenfalls viele Türen offenzustehen. Vorstellbar wäre ein Kampf gegen Amir Khan vor Zehntausenden Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion. Vor allem US-amerikanische Kommentatoren rieten ihm, sich auf mögliche Gegner wie Keith Thurman, Devon Alexander und Timothy Bradley zu konzentrieren. Sollte er sich durchsetzen, stünden Danny Garcia, Juan Manuel Marquez oder Manny Pacquiao zur Disposition und schließlich sogar Floyd Mayweather. Andere warnten vernünftigerweise vor überzogenen Perspektiven und empfahlen Brooks Promoter Eddie Hearn, seinen Boxer nicht ins kalte Wasser übermächtiger Kontrahenten zu werfen, sondern mit Bedacht an den boxenden Geldadel heranzuführen.

Hearn und Brook haben der letztgenannten Option den Zuschlag gegeben und sich bei der ersten Titelverteidigung für einen leichten Gegner entschieden. Der 33 Jahre alte IBF-Weltmeister trifft am 28. März vor heimischem Publikum in der Motorpoint Arena auf den in Kanada lebenden Rumänen Ionut Dan Ion alias Jo Jo Dan. Dieser führt mit einer Bilanz von 34 Siegen und zwei Niederlagen gegen Selcuk Aydin die IBF-Rangliste an. Im Dezember 2014 setzte sich Dan in einem Ausscheidungskampf gegen den Kanadier Kevin Bizier durch, wobei er wie schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im November 2013 knapp mit 2:1-Punktrichterwertungen die Oberhand behielt.

Daß Jo Jo Dan und Kevin Bizier in den Genuß dieser Qualifikation kamen, verdankte sich ihrer numerisch recht eindrucksvollen Bilanz. Zieht man jedoch in Betracht, wen sie in der Vergangenheit zum Gegner hatten, ergibt sich ein weniger vorteilhaftes Bild. Auch ein Blick auf namhafte Konkurrenten wie Timothy Bradley, Shawn Porter, Amir Khan, Robert Guerrero, Devon Alexander, Sadam Ali und Diego Chaves, die bei der IBF schlechter plaziert sind, weckt gravierende Zweifel an der Aussagekraft dieser Rangliste. Dan ist ein guter Weltergewichtler, der jedoch keinesfalls der allerersten Garnitur angehört.

Da Jo Jo Dan nicht allzu schnell ist, über keine sonderlich gute Deckung verfügt und nur eine begrenzte Schlagwirkung entfalten kann, dürfte Kell Brook kaum Probleme mit ihm bekommen. Das ruft zwangsläufig Kritiker auf den Plan, die den Briten an seinen hochtrabenden Ankündigungen messen, er wolle sich fortan mit den besten Akteuren seiner Gewichtsklasse messen. Brook zieht sich indessen mit der kaum von der Hand zu weisenden Erklärung aus der Affäre, er müsse früher oder später ohnehin gegen den Pflichtherausforderer antreten und bewältige diese unvermeidliche Aufgabe eben vorweg. Danach könne er sich all den großen Namen widmen und im Sommer bedeutende Kämpfe austragen.

Davon abgesehen sei Jo Jo Dan ein zäher Bursche, den man keinesfalls unterschätzen dürfe, versucht der Brite die naheliegende Schlußfolgerung abzuschwächen, er schlage zwei Fliegen mit einer Klappe. Auch sein Promoter Eddie Hearn will den Einwand entkräften, man habe einem allzu leichten Gang den Zuschlag gegeben, wenn er warnt, der Herausforderer sei ein großartiger Kämpfer und führe die IBF-Rangliste nicht ohne Grund an.

Wenngleich Jo Jo Dan seinem letzten Gegner Kevin Bizier durchaus einen turbulenten und spannenden Kampf geliefert hat, bleibt doch anzumerken, daß beide zwar nahezu gleich stark sind, aber eben nicht auf höchstem Niveau boxen. Wie gut sich diese Titelverteidigung vor britischem Publikum vermarkten läßt, ist daher eine offene Frage. Eigentlich wollte Eddie Hearn einen Gegner aufbieten, der Kell Brook auch den US-amerikanischen Zuschauern näherbringt. Da der Herausforderer aus Kanada jedoch in den Staaten keinen Namen hat, der den Fans geläufig wäre, dürfte selbst ein überlegen erzielter Sieg den Briten zumindest in dieser Hinsicht nicht weiterbringen. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/kell-brook-to-battle-jo-jo-dan-on-328/#more-187168

27. Januar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang