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MELDUNG/1693: Siegessicher in den Absturz (SB)



Anthony Dirrell unterliegt Badou Jack nach Punkten

Anthony Dirrell ist nicht länger WBC-Champion im Supermittelgewicht. Er unterlag in Chicago überraschend dem in Las Vegas lebenden Schweden Badou Jack nach Punkten (114:114, 116:112, 115:113). Für den neuen Champion, der zuvor an Nummer acht der WBC-Rangliste geführt wurde, stehen nun 19 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden zu Buche. Der gescheiterte Titelverteidiger hat 27 Auftritte gewonnen sowie je einen verloren und unentschieden beendet. Im August 2014 hatte sich der 30jährige Dirrell aus Flint, Michigan, den Gürtel durch einen Sieg über den Veteranen Sakio Bika gesichert. Jack, der ein Jahr älter als sein Vorgänger ist, hat seit seiner Niederlage in der ersten Runde gegen Derek Edwards im vergangenen Jahr nunmehr drei Kämpfe in Folge gewonnen. [1]

Die ersten vier Runden des Duells in Chicago entsprachen den Erwartungen, da der favorisierte Dirrell den Ton angab. Als Badou Jack jedoch seine Stärke in der Halbdistanz und dicht am Gegner auszuspielen begann, wendete sich das Blatt. Dem Titelverteidiger fehlte es augenscheinlich an Mitteln, diesen Angriffen auf engem Raum entschieden Paroli zu bieten, so daß der Herausforderer schließlich die bessere Figur machte und ihn in der neunten Runde mit einer Kombination erschütterte.

Der Ringrichter lieferte an diesem Abend eine schlechte Leistung ab, da er Badou Jack diverse Regelwidrigkeiten wie Schläge auf den Hinterkopf und unter die Gürtellinie durchgehen ließ. In einer Szene warf der Herausforderer seinen Gegner sogar zu Boden, ohne dafür sanktioniert zu werden. Vor allem in den letzten vier Runden verlegte er sich zunehmend auf Tiefschläge und setzte Dirrell damit zusätzlich unter Druck.

Wenngleich man daher die Punktwertung durchaus in Zweifel ziehen kann, hatte sich Anthony Dirrell die Niederlage im wesentlichen doch selbst zuzuschreiben. Er boxte pomadig, bewegte sich zu wenig und setzte auf einzelne Treffer, als sei er sich seiner Überlegenheit viel zu sicher. Statt sich den unbequemen Wühler mit einer hohen Schlagfrequenz und Kombinationen vom Leib zu halten, wartete er auf Konterchancen, die sich zwangsläufig nur selten boten. Man darf wohl vermuten, daß sein älterer Bruder Andre Dirrell dieses Problem gelöst und Badou Jack eine Lektion erteilt hätte, da er technisch versierter, variabler und beweglicher zu kämpfen versteht. Während der ältere Dirrell in Kürze IBF-Weltmeister werden dürfte, hat der unverhoffte Absturz seines jüngeren Bruders den Plan des Brüderpaars durchkreuzt, künftig gemeinsam das Supermittelgewicht zu dominieren.

Wie Badou Jack in seiner Siegesfreude erklärte, sei Anthony Dirrell ein sehr gefährlicher Gegner, doch habe er keine Angst vor ihm gehabt. Er sei in Bestform angetreten und habe an sich geglaubt, so daß ihn das großspurige Gerede des Titelverteidigers nicht zu irritieren vermochte.

Als neuer WBC-Weltmeister verteidigt Badou Jack seinen Titel gegen den Pflichtherausforderer George Groves, dessen Aussichten, sich den Gürtel zu holen, dadurch nicht wesentlich günstiger geworden sind. Mußte man zuvor davon ausgehen, daß der Brite gegen Dirrell untergehen würde, so dürfte Jack kaum ein schwächerer Gegner sein, wenn man seinen Auftritt in Chicago zum Maßstab nimmt.

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Daniel Jacobs schleppt sich zum Sieg über Caleb Truax

Im Rahmen derselben Veranstaltung in Chicago hat Daniel Jacobs den regulären Titel der WBA im Mittelgewicht erfolgreich verteidigt. Der US-Amerikaner setzte sich nach einem lethargischen Auftritt mit technischem K.o. kurz vor Ende der zwölften Runde gegen den überforderten Caleb Truax durch. Damit hat Jacobs 29 Kämpfe gewonnen und nur einen verloren, während für seinen Gegner 25 Siege, zwei Niederlagen sowie zwei Unentschieden notiert sind.

Der 27jährige Champion aus New York war von Beginn an der überlegene Akteur im Ring, doch machte er von seinem Vorteil nicht in der Weise Gebrauch, auf eine frühe Entscheidung zu drängen. So schleppte sich der Kampf streckenweise eher dahin, als daß er das Publikum in Begeisterung versetzt hätte. In der zehnten Runde kam der vier Jahre ältere Herausforderer mit einer wuchtigen Rechten durch, die Jacobs sichtlich erschütterte. Er revanchierte sich dafür im letzten Durchgang mit einer Kombination, nach der Truax stehend bis acht angezählt wurde. Als der Ringrichter den Kampf wieder freigegeben hatte, drang Jacobs sofort mit einem Hagel von Schlägen auf den Herausforderer ein, worauf der Referee dazwischenging und auf Abbruch entschied. [2]

Früher oder später wird die WBA anordnen, daß Daniel Jacobs gegen Gennadi Golowkin antreten muß, den Superchampion dieses Verbands. Der Kasache steht nicht nur formal eine Stufe über dem US-Amerikaner, sondern gilt auch als wesentlich gefährlicherer Boxer, so daß Jacobs vermutlich genauso auf den Brettern landen würde, wie sämtliche Gegner Golowkins in den letzten sechs Jahren. Zumindest ließ die träge und risikoscheue Kampfesweise des Weltmeisters keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennen, daß er dem Superchampion wenigstens ein hochklassiges Gefecht bis zum Untergang mit fliegenden Fahnen liefern könnte.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12761823/badou-jack-outpoints-anthony-dirrell-claim-wbc-super-middleweight-title

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/04/dirrell-vs-jack-early-results/#more-191528

25. April 2015


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