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MELDUNG/1736: Ein Nimbus will gepflegt werden (SB)



Gilberto Ramirez dominiert überforderten Derek Edwards

Der inzwischen 84jährige, aber nach wie vor rührige US-amerikanische Promoter Bob Arum hat mit einer geschickten Auswahl passender Gegner dafür gesorgt, daß Gilberto Ramirez in 32 Kämpfen ungeschlagen ist und als aussichtsreicher Titelaspirant gehandelt wird. In den Ranglisten der Verbände WBC (2), WBO (2), WBA (3) und IBF (3) ausgezeichnet plaziert, steht der 24jährige Mexikaner dank einer beeindruckenden Quote vorzeitiger Siege im Ruf, zu den gefährlichsten Akteuren des Supermittelgewichts zu gehören. Sein aktueller Erfolg gegen Derek Edwards im texanischen Hidalgo sprach jedoch eine andere Sprache, da der Gegner schwach, der Kampf langweilig und der Favorit keineswegs in der Lage war, dank der ihm unterstellten Schlagwirkung eine frühzeitige Entscheidung herbeizuführen.

Der elf Jahre ältere US-Amerikaner Derek Edwards geriet in der vierten und achten Runde in beträchtliche Schwierigkeiten, hielt aber bis zum Ende durch und hat nun 27 Siege, fünf Niederlagen sowie ein Unentschieden vorzuweisen. Wenngleich der in der Rechtsauslage boxende Ramirez klar die Oberhand behielt (100:90, 100:90, 100:90), verdankte er dies doch nicht zuletzt seiner Größe von 1,89 m, die den zwölf Zentimeter kleineren Kontrahenten schlichtweg überforderte. Edwards erreichte den Gegner mit seinen Schlägen vielfach nicht, zumal Ramirez häufig zurückwich, sobald der US-Amerikaner angriff. Dieser war freilich auch nicht in der Lage, in der Nahdistanz etwas zu bewerkstelligen, wenn er denn doch einmal an den Mexikaner herankam, sondern klammerte den größeren Kontrahenten.

Derek Edwards sah immer dann besonders schlecht aus, wenn er sich mit hoher Deckung an die Seile stellte und wie ein Sparringspartner bearbeiten ließ. Er folgte den Anweisungen seines Trainers nicht, sich von den Seilen fernzuhalten und seinerseits häufiger zu schlagen. In solchen Situationen hatte der Mexikaner freie Hand, seine Kombinationen durchzutragen, die freilich häufig ihr Ziel verfehlten, obgleich sich der Gegner kaum bewegte. Wie sich dabei zeigte, schlug Ramirez weder schnell noch sonderlich wirkungsvoll, sondern schob die Fäuste eher nach vorn, als daß er sie frei bewegt hätte.

Schon in seinem letzten Kampf gegen Maxim Wlasow, der im Januar über die Bühne gegangen war, hatte Ramirez keine gute Figur gemacht. Er mußte zahlreicher Treffer einstecken, obgleich er es mit einem allenfalls durchschnittlichen Gegner zu tun bekam. Diese unerfreuliche Erkenntnis mochte dazu beigetragen haben, als nächsten Kandidaten Derek Edwards auszusuchen, der wenig schlägt und mit seinen Treffern kaum Wirkung entfaltet. So konnte der Mexikaner einen weiteren ungefährdeten Sieg einfahren und dabei einen halbwegs passablen Eindruck hinterlassen, da er sich mit einem Titelkampf vor Augen keinen Ausrutscher erlauben darf.

Wenngleich Top Rank den Mexikaner als künftigen Platzhirsch im Supermittelgewicht anpreist, kann man sich zumindest nach den Auftritten gegen Wlasow und Edwards schwer vorstellen, daß Ramirez ernsthafte Chancen gegen führende Akteure wie Andre Ward, James DeGale, George Groves, Badou Jack oder die Brüder Anthony und Andre Dirrell hätte. Er hat noch keinen erstklassigen Kontrahenten besiegt und wird von Bob Arum offenbar auf den amtierenden WBO-Champion Arthur Abraham zugesteuert, der zumindest in England und den USA als schwächster der vier aktuellen Weltmeister in diesem Limit gilt.

Dank seiner günstigen Position in der WBO-Rangliste hat Gilberto Ramirez gute Aussichten, den Sieger des Kampfs zwischen Arthur Abraham und Robert Stieglitz herausfordern zu dürfen. Die beiden Dauerrivalen bestreiten am 18. Juli in Halle/Westfalen bereits ihr viertes Duell, dem angeblich definitiv kein weiteres folgen soll. Abraham hat Stieglitz im August 2012 den Titel abgenommen, ihn dann im März 2013 wieder an den Magdeburger verloren und den Gürtel schließlich im März 2014 erneut in seinen Besitz gebracht. Dem deutschen Publikum gefallen diese Auseinandersetzungen mit einheimischer Beteiligung, zumal bekanntlich auch Felix Sturm seit einiger Zeit im Supermittelgewicht boxt, wo er sich unentschieden von Stieglitz getrennt hat. Ramirez könnte in dieses Szenario einbrechen, doch liefe er dabei Gefahr, erstmals auf einen Gegner wie Abraham zu treffen, der gewaltig zuschlagen kann und womöglich den Nimbus des Mexikaners ruiniert. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/06/gilberto-ramirez-beats-derek-edwards/#more-195395

27. Juni 2015


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