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MELDUNG/1745: Bald muß Fury Farbe bekennen (SB)



Kampf gegen Wladimir Klitschko unter Dach und Fach

Wladimir Klitschko verteidigt seine vier Titel im Schwergewicht am 24. Oktober in Düsseldorf gegen den Pflichtherausforderer der WBO, Tyson Fury. Während für den Weltmeister 64 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen, ist der Brite in 24 Kämpfen ungeschlagen. Die Einigung zwischen K2 Promotions und Hennessy Sports kurz vor Ablauf der vom Verband gesetzten Frist wendete eine Versteigerung der Austragungsrechte in letzter Minute ab. Für den 26 Jahre alten Briten ist das insofern eine schlechte Nachricht, als der nicht unmittelbar beteiligte Promoter Eddie Hearn Interesse bekundet hatte, ein Gebot abzugeben, um den Kampf nach England zu holen. Wenngleich zahlreiche britische Schlachtenbummler nach Deutschland reisen werden, um Fury den Rücken zu stärken, genießt der 39jährige Klitschko bei einem Auftritt in Düsseldorf natürlich tendenzielle Vorteile. [1]

Dem Vernehmen nach stand ein Angebot von 18 Millionen Dollar im Raum, sofern der Titelkampf in Grosny ausgetragen würde. Diese vermutlich aus dem Dunstkreis des boxbegeisterten tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow stammende Offerte hätte den beiden Akteuren Börsen beschert, die sie nun kaum erzielen dürften. Im deutschsprachigen Raum wird der Kampf bei RTL zu sehen sein, in England kommen Sky Sports, BT oder ITV in Frage, und in den USA ist HBO mit von der Partie.

Wenngleich vor allem US-amerikanische und britische Kommentatoren Wladimir Klitschko nach seinem Sieg über Bryant Jennings gewisse altersbedingte Verfallserscheinungen attestiert hatten, müßte der Ukrainer schon rapide abbauen, um nicht mit Tyson Fury fertigzuwerden. Jennings erwies sich als unbequemer Gegner für Klitschko, weil er vor allem auf seine Defensive bedacht war und im sogenannten Philadelphia-Stil, wie man ihn unter anderem auch von Steve Cunningham kennt, häufig pendelte und sich wegduckte. Der Weltmeister fand daher selten ein Ziel für seine rechte Schlaghand, die er infolgedessen relativ selten einsetzte.

Tyson Fury ist zwar mit 2,06 m sogar noch einige Zentimeter größer als Klitschko und läßt seinem Mundwerk gerne freien Lauf, doch hat er seine ungebrochene Siegesserie gegen zweitklassige Kontrahenten eingefahren. Er wurde während seiner gesamten Karriere von gefährlichen Gegnern ferngehalten und trifft nun auf einen Boxer, wie er ihn noch nie vor den Fäusten hatte. Furys bislang hochrangigster Widersacher war sein Landsmann Dereck Chisora, den die WBO aus unerfindlichen Gründen an Nummer eins ihrer Rangliste führte. Der Londoner hatte schon einmal gegen Fury wie auch gegen Vitali Klitschko, Robert Helenius und David Haye verloren, als er in einem Ausscheidungskampf auf Tyson Fury traf. Dieser hatte leichtes Spiel, weil er den körperlich unterlegenen Chisora mit dem Jab weit auf Abstand halten konnte. Ihn ernsthaft anzugreifen und frühzeitig auszuschalten traute er sich dennoch nicht. Andere Gegner, mit denen Fury in jüngerer Zeit im Ring gestanden hat, waren Martin Rogan, Joey Abell und Christian Hammer.

Hinzu kommt, daß Fury in der Vergangenheit schon mehrfach auf den Brettern gelandet ist und bei seinem US-Debüt 2013 von dem früheren IBF-Weltmeister im Cruisergewicht, Steve Cunningham, fast vorzeitig besiegt worden wäre. Wenn der riesige Brite schon derartige Defensivprobleme mit relativ schwachen oder wesentlich kleineren Gegnern hat, dürfte er im Falle Klitschkos vom Regen in die Traufe kommen.

Obgleich sich Fury allergrößte Sorgen machen müßte, wie er den Kampf gegen Klitschko überstehen soll, nimmt er den Mund schon wieder voll und plant weit über den Tag hinaus. Kaum war der Vertrag zwischen K2 und Hennessy unterzeichnet, als sich der britische Herausforderer auch schon via Twitter an Deontay Wilder wandte, den in 34 Kämpfen ungeschlagenen WBC-Weltmeister im Schwergewicht. Wenn jeder von beiden den nächsten Kampf gewinne, könne man danach zusammen Geschichte schreiben, so der Brite. Darauf erwiderte der US-Amerikaner, er sei bekanntlich jederzeit zu einem Duell mit Fury bereit. Er wünsche ihm viel Glück für seinen kommenden Kampf, das er auch brauchen werde. [2]

Wilder teilt offensichtlich die Auffassung, daß Tyson Fury große Probleme mit Klitschko bekommen wird. Der Ukrainer ist nicht nur erfahrener und schneller als Fury, sondern schlägt auch wesentlich gefährlicher zu. Der Brite hat zwar schon diverse Gegner vorzeitig besiegt, verfügt aber trotz seiner imposanten Statur nur über eine vergleichsweise geringe Schlagwirkung. Sollte er jedoch wider Erwarten gewinnen, zwingt ihn mit Sicherheit eine Klausel im Vertrag zu einem sofortigen Rückkampf. Daher müßte Fury schon zweimal in Folge gegen Klitschko gewinnen, ehe er frühestens im Herbst 2016 auf Deontay Wilder treffen könnte.

Die in Britannien und den USA weit verbreitete Einschätzung, man könne in Deutschland unmöglich nach Punkten gewinnen, ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, trifft aber umgekehrt auch für deutsche Boxer zu, die im Ausland antreten. Gewisse deutsche Boxställe haben vor allem zu einer bestimmten Zeit zu viele für ihre Akteure günstige Wertungen bekommen. Andererseits fehlt es nicht an Gegenbeispielen wie etwa den Niederlagen Felix Sturms gegen australische Herausforderer in Deutschland, und der letzte umstrittene Punktsieg Wladimir Klitschkos liegt lange zurück. Der Kampf in Düsseldorf müßte schon unerwartet eng verlaufen, um Stoff für eine Kontroverse um die Wertung zu bieten. Dem Briten anzuempfehlen, er müsse Klitschko eben vorzeitig besiegen, um den Punktrichtern nicht das Feld zu überlassen, ist im Falle Furys jedenfalls sehr viel leichter gesagt als getan.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/wladimir-klitschko-to-face-tyson-fury-on-october-24th-in-dusseldorf-germany/#more-195723

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/07/deontay-wilder-wishes-tyson-fury-good-luck-against-wladimir-klitschko/#more-195727

7. Juli 2015


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