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MELDUNG/1763: Veteranentreffen in Polen (SB)



Tomasz Adamek steigt mit Przemyslaw Saleta in den Ring

Tomasz Adamek, der einst Weltmeister im Halbschwer- und Cruisergewicht gewesen war, holt die Boxhandschuhe noch einmal vom Nagel. Der in New Jersey lebende Pole schien seine Karriere beendet zu haben, doch kehrt er nach einjähriger Pause in den Ring zurück. Adamek, für den 49 Siege und vier Niederlagen zu Buche stehen, trifft am 25. September in Lodz auf seinen Landsmann Przemyslaw Saleta, der 44 Auftritte gewonnen und sieben verloren hat. Saleta hatte 2006 seinen Abschied genommen, unterbrach aber 2013 den sportlichen Ruhestand, um sich mit Andrew Golota zu messen. In diesem Duell zweier polnischer Schwergewichtler, deren beste Tage weit zurücklagen, setzte sich Saleta in der sechsten Runde durch. Seither hat er keinen Kampf mehr bestritten, so daß auch sein bevorstehendes Gefecht mit Adamek einem Veteranentreffen gleicht.

In Polen findet sich dafür ein interessiertes Publikum, während man anderswo allenfalls neugierig ist, wie gut sich der inzwischen 39jährige Tomasz Adamek gehalten hat. Er hat für den Auftritt einen Vertrag mit seiner langjährigen Promoterin Kathy Duva von Main Events abgeschlossen, die ihrerseits mit dem Sender Polsat handelseinig geworden ist, der den Kampf übertragen wird. Auch Duva weiß nicht, ob Adamek im Falle des Sieges seine Karriere fortsetzen oder es bei einer einmaligen Reminiszenz belassen wird. Das sei ganz allein seine Entscheidung und nicht ihre, betont die Promoterin. Er habe sich das Recht verdient, nach eigenem Belieben zu bleiben oder seiner Wege zu gehen. Jedenfalls sei dieses Duell in Polen sehr reizvoll, weil beide Boxer dort nach wie vor einen guten Namen hätten.

Adamek stieg im Jahr 2009 ins Schwergewicht auf, um dort an den wesentlich höheren Einnahmen zu partizipieren. Er setzte sich gegen Andrew Golota, Jason Estrada, Chris Arreola, Michael Grant, Vinny Maddalone und Kevin McBride durch, worauf er den langersehnten Titelkampf bekam. Am 10. September 2011 war Endstation, als ihn der damalige WBC-Weltmeister Vitali Klitschko klar dominierte und vorzeitig besiegte.

Der Pole ist ein exzellenter Techniker, bringt aber schlichtweg nicht die körperlichen Voraussetzungen mit, um sich gegen die Riesen zu behaupten, die im Schwergewicht den Ton angeben. Was sich längst abgezeichnet hatte, nahm unter den Schlägen Klitschkos den Charakter eines Schlußstrichs an. Wenngleich Adamek gegen den massiv gebauten Chris Arreola nach Punkten gewann, war dieser Erfolg doch nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, daß sich der Gegner frühzeitig einen Bruch in der linken Hand zugezogen hatte.

Nach der Niederlage gegen den Ukrainer gewann der Pole zunächst gegen Nagy Aguilera, hatte dann aber größte Mühe, im Duell mit dem kleineren und leichteren Eddie Chambers umstritten die Oberhand zu behalten. Es folgten Siege über Travis Walker, Steve Cunningham und Dominick Guinn, doch im vergangenen Jahr mußte sich Adamek schließlich Wjatscheslaw Hlaskow und Artur Szpilka geschlagen geben.

Vermutlich hat Tomasz Adamek mehr als einmal darüber nachgedacht, ins Cruisergewicht zurückzukehren, wo seine Aussichten erheblich besser wären, noch einmal Weltmeister zu werden. Da er jedoch an Gewicht zugelegt hat, um in der Königsklasse mithalten zu können, wäre dies eine körperliche Tortur mit ungewissem Ausgang gewesen. Zudem hätte er wesentlich weniger verdient und zunächst unattraktive Kämpfe bestreiten müssen, um eine Titelchance zu bekommen. Für einen Boxer seines Werdegangs und Alters war dies offensichtlich keine akzeptable Option mehr.

Sollte Tomasz Adamek gegen Przemyslaw Saleta gewinnen und seine unterbrochene Karriere tatsächlich wieder aufnehmen, müßte er Gegnern wie Wladimir Klitschko und Deontay Wilder, aber auch Alexander Powetkin, Tyson Fury, Kubrat Pulew, Bryant Jennings, Carlos Takam oder Lucas Browne aus dem Weg gehen. Vermutlich boxt der Pole noch immer auf seinem langjährigen Niveau, denn gegen Hlaskow und Szpilka sah er für sich genommen nicht schlechter als in der Vergangenheit aus. Die beiden waren einfach besser als er, was inzwischen für eine ganze Reihe potentieller Konkurrenten gilt. Als Adamek 2009 ins Schwergewicht aufstieg, sah es dort noch düster aus. Inzwischen ist das Niveau doch erheblich gestiegen, so daß der Pole angesichts seiner beschränkten körperlichen Voraussetzungen eine zunehmend stärkere Konkurrenz vor sich hätte, die ihm den Weg versperrt. [1]

Wohl könnte er sicher noch manchem nicht allzu gefährlichen Rivalen die Leviten lesen und dabei recht ordentlich verdienen, zumal ihm Kathy Duva die Tür offenhält. Der Trainingsaufwand würde jedoch mit zunehmendem Alter und angesichts langer Pausen überproportional steigen, während die Aussichten, noch einmal in Titelnähe vorzudringen, in den Keller gerutscht sind. Da einen Boxer mit dem Auftritt im Scheinwerferlicht jedoch sehr viel mehr verbindet, als nüchternes Abwägen mutmaßlicher Vor- und Nachteile zu erfassen vermag, ist nicht auszuschließen, daß Tomasz Adameks letztes sportliches Kapitel noch seiner Abfassung harrt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/tomasz-adamek-coming-out-of-retirement-for-przemyslaw-saleta/#more-196791

31. Juli 2015


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