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MELDUNG/1773: Ein Franzose wagt den großen Wurf (SB)



Deontay Wilder verteidigt den WBC-Titel gegen Johann Duhaupas

Deontay Wilder verteidigt den Titel des Verbands WBC im Schwergewicht am 26. September in Birmingham, Alabama, gegen Johann Duhaupas. Während der 29jährige Weltmeister in 34 Kämpfen ungeschlagen ist, von denen er 33 vorzeitig gewonnen hat, stehen für den drei Jahre älteren Franzosen, der an Nummer zwölf der WBC-Rangliste geführt wird, 32 Siege und zwei Niederlagen zu Buche. Wilder, der bei einer Größe von 2,01 m nur 98 kg auf die Waage bringt, schlägt außergewöhnlich schnell und zugleich mit verheerender Wirkung. Duhaupas geht daher als Außenseiter in diesen Kampf, gilt aber dennoch angesichts seiner hochentwickelten technischen Fähigkeiten als anspruchsvoller Gegner, den Wilder und sein Berater Al Haymon mit Bedacht ausgewählt haben.

Dem Champion ist bei seiner freiwilligen Titelverteidigung offensichtlich nicht an einer leichterdings lösbaren Aufgabe gelegen. Vielmehr sucht er mit Blick auf den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin, der seinen Weg im Frühjahr 2016 kreuzen wird, nach einem ernstzunehmendem Prüfstein. Der 1,95 m große Kontrahent aus Abbeville an der Somme gilt unter den hochgewachsenen Schwergewichtlern als einer der versiertesten Kandidaten, nur übertroffen von Wladimir Klitschko. Woran es dem Franzosen mangelt, ist eine unabweisliche Schlagwirkung, und dieses Manko dürfte seinem Aufstieg an die Spitze dauerhaft im Wege stehen.

Wenngleich Duhaupas gegen Francesco Pianeta und Erkan Teper verloren hat, fielen diese Niederlagen doch recht knapp aus. Zudem hat er sich inzwischen weiter verbessert, so daß er Pianeta heute wohl das Nachsehen geben und Teper vor enorme Probleme stellen würde. Wilder hat 33 Gegner binnen vier Runden besiegt und mußte nur beim Titelgewinn mit dem unverwüstlichen Bermane Stiverne über volle zwölf Runden gehen, an dessen Eisenschädel er sich einen Bruch an der Schlaghand zugezogen hatte. Nachdem er zuletzt im Kampf mit Eric Molina unterfordert war, braucht er einen Kontrahenten, der ihn länger beschäftigt und ernsthaft attackiert. Powetkin ist kein Boxer, der sich durch ständige Fluchtmanöver zu entziehen versucht. Vielmehr greift der Russe unablässig an und kann auch in der Halbdistanz gefährlich zuschlagen, was Wladimir Klitschko nur durch ständiges Klammern zu unterbinden wußte.

Sollte sich Wilder gegen Powetkin durchsetzen, könnte es im Herbst 2016 zum Kampf gegen Klitschko kommen, sofern dieser am 24. Oktober in Düsseldorf den britischen Pflichtherausforderer Tyson Fury aus dem Weg räumt. Der Ukrainer müßte schon einen rabenschwarzen Tag erleben, um dem 2,06 m großen, aber schwach schlagenden Kontrahenten zu unterliegen, der nur über limitierte boxerische Fähigkeiten verfügt. Fury wechselt zwar häufig die Auslage, um dank seiner überlegenen Größe und Reichweite den Gegner mit seinem Jab auf Abstand zu halten, kann sich in dieser Hinsicht aber nicht mit Klitschko messen, der mit der Linken sowohl einen harten Jab als auch einen gefährlichen Haken schlägt. [1]

Kommt es zum ultimativen Kräftemessen der Weltmeister Klitschko und Wilder, kann der US-Amerikaner nicht nur viel Geld verdienen, sondern im Falle seines Sieges eine neue Ära im Schwergewicht einläuten. Deontay Wilder boxt spektakulär und verfügt auch außerhalb des Rings über ein Charisma, das nicht nur in den USA sehr viel besser als das zumeist spröde Auftreten des Ukrainers ankommt. Wenngleich Wladimir Klitschko nun schon seit neun Jahren die Szene dominiert, gilt er doch als eher langweiliger Weltmeister, der die Kunst, nicht getroffen zu werden, perfektioniert hat. Wilder hingegen boxt spektakulär und sucht bei seinen Auftritten von Beginn an den Niederschlag, wofür er seine Gegner nicht erst viele Runden lang zermürben muß. Wenngleich weitgespannte Perspektiven gerade im Boxsport oftmals auf Sand gebaut sind, spricht doch vieles dafür, daß die Zukunft des Schwergewichts untrennbar mit dem Namen Deontay Wilder verknüpft ist.

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Peter Quillin fordert Daniel Jacobs heraus

In einem Duell zweier Mittelgewichtler aus Brooklyn verteidigt Daniel Jacobs den regulären Titel der WBA am 5. Dezember im Barclays Center gegen Peter Quillin. Für den ungeschlagenen Herausforderer, der früher Weltmeister der WBO in dieser Gewichtsklasse war, stehen 31 Siege und ein Unentschieden zu Buche. Jacobs rangiert eine Etage unter Gennadi Golowkin, dem Superchampion der WBA im Mittelgewicht, und kann mit 30 gewonnenen Kämpfen sowie einer Niederlage aufwarten. Zuvor muß sich Quillin allerdings noch in einem Aufbaukampf am 12. September gegen den wenig bekannten Michael Zerafa durchsetzen.

Für Daniel Jacobs ist der Dezemberkampf sein bedeutendster Auftritt seit der Niederlage gegen Dimitri Pirog im Jahr 2010. Seither hat er sich mit handhabbaren oder zweitklassigen Gegnern gemessen, so daß er nun zwar als Titelverteidiger antritt, jedoch als Außenseiter gilt. Im September 2014 sicherte er sich im Kampf mit dem Australier Jarrod Fletcher den regulären Titel der WBA und verteidigte ihn in der Folge zunächst gegen Caleb Truax und zuletzt gegen den 35 Jahre alten Sergio Mora, der früher WBA-Weltmeister im Halbmittelgewicht gewesen war. Obgleich Mora allenfalls eine durchschnittliche Schlagwirkung aufbieten kann, schickte er Jacobs einmal zu Boden und setzte ihm auch sonst gehörig zu. Quillin, der wesentlich gefährlicher einzuschätzen ist, könnte daher als früher Sieger aus dem Kampf gegen Daniel Jacobs hervorgehen.

Peter Quillin trennte sich im April unentschieden von WBO-Champion Andy Lee. Er schickte den Iren zweimal auf die Bretter, der jedoch nie aufsteckte und sich seinerseits mit einem Niederschlag revanchierte. In der Folge boxte Quillin überwiegend defensiv und schien dem Schlagabtausch mit Lee aus dem Weg zu gehen.

Der Sieger des Kampfs zwischen Daniel Jacobs und Peter Quillin bekommt es voraussichtlich mit einem der folgenden Gegner zu tun: Chris Eubank jun., Dimitri Tschudinow, Tureano Johnson, Arif Magomedow oder Billy Joe Saunders. Auch Gennadi Golowkin würde sich gern mit dem regulären WBA-Weltmeister messen, was aber Al Haymon nicht zulassen wird, bei dem Jacobs und Quillin unter Vertrag stehen: Der einflußreiche Berater bewahrt seine Boxer wenn möglich vor Kämpfen, die sie nicht gewinnen können. Früher hatte sich Quillin der Ausflucht bedient, der Kasache sei zu unbekannt, als daß er gegen ihn antreten wolle.

Sollte Golowkin am 17. Oktober David Lemieux besiegen, wäre er auch Weltmeister der IBF. Als Pflichtherausforderer beim Verband WBC steht ihm zudem ein Kampf gegen Miguel Cotto oder Saul "Canelo" Alvarez zu, die am 21. November um den WBC-Gürtel des Puertoricaners kämpfen. Würde der Kasache den Sieger vor die Fäuste bekommen und gewinnen, stiege er zum Weltmeister dreier Verbände im Mittelgewicht auf und wäre allemal prominenter als Quillin oder Jacobs. Gingen Cotto und Alvarez dem Kasachen weiterhin aus dem Weg, was wahrscheinlich ist, würde der WBC-Titel vakant und eine um so leichtere Beute für Golowkin. Dann könnte sich auch Peter Quillin nicht länger herausreden und müßte entweder gegen den Kasachen antreten oder den WBO-Titel ins Visier nehmen, um gutes Geld zu verdienen, ohne von dem kampffreudigen Golowkin niedergestreckt zu werden. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/08/deontay-wilde-vs-johann-duhaupas-to-be-announced-soon-for-september-26th/#more-197689

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/08/peter-quillin-vs-daniel-jacobs-on-december-5th-at-barclays-center-brooklyn-ny/#more-197652

20. August 2015


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