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MELDUNG/1822: Peinliche Worte nach einem geschenkten Sieg (SB)



Vincent Feigenbutz fast an Giovanni de Carolis gescheitert

Vincent Feigenbutz hat den Titel des Interimschampions der WBA im Supermittelgewicht in Karlsruhe erfolgreich verteidigt. Der 20 Jahre alte Hoffnungsträger des Teams Sauerland setzte sich nach Punkten gegen Giovanni de Carolis durch (115:113, 115:113, 115:113), doch waren die Meinungen geteilt, ob das Ergebnis den Kampfverlauf angemessen widerspiegelte. Der Lokalmatador baute seine Bilanz auf 21 Siege und eine Niederlage aus, wobei er 19 Gegnern vorzeitig das Nachsehen gegeben hat. Für den 31jährigen Italiener, der bislang an Nummer 13 der WBA-Rangliste geführt wurde, stehen nun 23 gewonnene und sechs verlorene Auftritte zu Buche.

Feigenbutz, der seine schwache Vorstellung über weite Strecken des Kampfs hinterher auf eine Grippe in der vorangegangenen Woche zurückführte, begann derart verhalten, daß der Herausforderer sofort die Initiative ergriff. Der als Außenseiter gehandelte Italiener schickte den Titelverteidiger gleich in der ersten Runde mit einer weit geschwungen Rechten auf die Bretter. Wenngleich der Karlsruher den Ringrichter zu überzeugen versuchte, daß er nur ausgerutscht sei, wurde die Aktion zu Recht als regulärer Niederschlag gewertet.

Auch in der Folge kam De Carolis immer wieder mit der Rechten zum Zuge, gegen die der in der Deckung erschreckend offene Feigenbutz kein Mittel fand. Der junge Karlsruher wirkte unkoordiniert und machte nur dann eine gute Figur, wenn er seinen Körper hinter die Schläge brachte, was freilich nur selten der Fall war. Erst in den letzten Runden gewann der Lokalmatador die Oberhand, da er etwas häufiger als sein Gegner schlug und die wirkungsvolleren Treffer landen konnte. [1]

Alexander von der Groeben, der den Kampf für den übertragenden Sender Sat.1 moderiert hatte und für gewöhnlich eher wohlwollend mit den deutschen Boxern umgeht, sagte vor der Urteilsverkündung skeptisch: "Es wäre eine Überraschung für mich, wenn Feigenbutz hier gewinnt." Als dann die erstaunliche Wertung der Punktrichter verlesen wurde, wirkte der Titelverteidiger sekundenlang wie ein Boxer, der sich seiner Schwächen bewußt ist und nicht mit einem Sieg gerechnet hat. Dann drehte er jedoch auf und erklärte beim Interview im Ring: "Ich habe ihm tausend Jabs in die Fresse geballert, man sieht ja auch seine blauen Augen, von daher habe ich klar gewonnen!" Er habe stärkere Sparringspartner als den heutigen Gegner gehabt. "Im Training stecke ich mehr ein, für mich hat der Typ klar verloren."

Diese Fehleinschätzung des eigenen Auftritts, gepaart mit mangelndem Respekt für den mehr als ebenbürtigen Gegner und überheblichen Sprüchen, kam beim Publikum nicht gut an, das angesichts dieser Worte in ein gellendes Pfeifkonzert ausbrach. "Giovanni de Carolis ist der wahre Sieger", skandierten die aufgebrachten Fans des Herausforderers aus Rom nach Mitternacht vor dem Presseraum der Arena. Axel Schulz fand als Experte des Privatsenders klare Worte: "Vincent hat sich durchgeschummelt. Für mich hat De Carolis gewonnen." [2]

Mit 20 Jahren noch ein junger Boxer, wurde Feigenbutz aufgrund seiner Serie vorzeitiger Siege bislang über den grünen Klee gelobt und bereits als künftiger Weltmeister angepriesen. Nach seiner einzigen Niederlage vor drei Jahren ging es für ihn stets bergauf, wobei er in jüngerer Zeit mit markigen Ansagen von sich reden macht, er werde Arthur Abraham und Felix Sturm in Rente schicken und danach im Supermittelgewicht aufräumen. Er wäre gut beraten, dem Rat Trainer Ulli Wegners zu folgen, der zutreffend warnte, Vincent sei noch nicht bereit für die ganz großen Kämpfe und brauche zwei oder drei weitere Jahre, bis es soweit ist. Wichtig sei, daß er die richtigen Lehren aus dem Kampf ziehe, da er andernfalls kein Großer werden könne. [3]

Als die Kritik auch in den sozialen Medien hohe Wellen schlug, wo man Feigenbutz unsportliches Verhalten und mangelndem Respekt vorhielt, ruderte der Karlsruher zurück. Auf der nachfolgenden Pressekonferenz entschuldigte er sich bei Giovanni de Carolis für seine Worte, die "so proletenmäßig" rübergekommen seien. In diesem Sinne äußerte er sich auch später auf seiner Facebookseite: Der Kampf sei nicht nach seinen Vorstellungen verlaufen, und im Anschluß habe er viel zu emotional reagiert. Seine Äußerung tue ihm leid, und er zolle seinem Gegner Respekt. Zudem versprach er seinen Fans, künftig härter zu trainieren und es beim nächsten Mal besser zu machen.

Das wird auch dringend erforderlich sein, da Feigenbutz im Frühjahr 2016 gegen den Sieger der Revanche zwischen Fedor Tschudinow und Felix Sturm antreten soll. Der Russe hatte sich am 9. Mai in Frankfurt am Main im Kampf um den vakanten Titel des regulären WBA-Weltmeisters gegen den Kölner durchgesetzt. Obgleich an dem Urteil nicht zu rütteln war, legte Sturm Einspruch gegen die Wertung ein, worauf ihm der Verband einen Rückkampf schenkte, der am 5. Dezember über die Bühne geht. Da Tschudinow jünger, agiler und körperlich stärker als der 36jährige frühere Champion ist, wird dieser es auch bei ihrem zweiten Aufeinandertreffen sehr schwer haben.

Setzt sich Feigenbutz bei der Herausforderung des Weltmeisters nicht wesentlich besser als gegen De Carolis in Szene, droht ihm eine herbe Niederlage. Tschudinow und Sturm sind erfahrener, technisch versierter und taktisch gereifter als der junge Karlsruher, der lediglich über einen recht guten Jab verfügt und vor allem mächtig zuschlagen kann. Das reicht allemal gegen schwache bis mittelmäßige Kontrahenten, stieß aber schon gegen den Italiener an seine Grenzen, den man keinesfalls der Weltklasse im Supermittelgewicht zurechnen kann.

Davon abgesehen steht mit dem Titel des regulären Weltmeisters keineswegs die hochwertigste Trophäe auf dem Spiel, die der Verband zu vergeben hat. Superchampion der WBA ist Andre Ward, den man mit Fug und Recht zwei Etagen höher einstufen kann. Regulärer Weltmeister war lange der Brite Carl Froch, der seine Karriere beendet hat, aber zuvor in einer anderen Liga als Tschudinow und Sturm seine Kreise zog, deren Titelkampf denn auch international harsch kritisiert wurde. Feigenbutz wiederum rangiert derzeit als Interimschampion noch eine Stufe darunter.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/10/feigenbutz-defeats-de-carolis-by-controversial-decision/#more-200742

[2] http://www.sueddeutsche.de/sport/boxer-vincent-feigenbutz-stil-eines-strassenprueglers-1.2698960

[3] http://www.welt.de/sport/boxen/article147751520/Krasser-kann-ein-Gefaelligkeitsurteil-kaum-ausfallen.html

21. Oktober 2015


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