Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1851: Der Wasserhaushalt macht den Unterschied (SB)



Jermall Charlo läßt Wilky Campfort keine Chance

Im September war Jermall Charlo durch einen Sieg über Cornelius Bundrage neuer IBF-Weltmeister im Halbmittelgewicht geworden. Nur zwei Monate später hat er nun in Dallas erstmals seinen Titel verteidigt und sich dabei unangefochten gegen Wilky Campfort durchgesetzt. Der 25jährige Champion aus Houston ließ dem sechs Jahre älteren Gegner keine Chance und besiegte ihn durch technischen K.o. in der vierten Runde. Während Charlo damit in 23 Profikämpfen ungeschlagen ist, mußte Campfort nach 21 Erfolgen die erste Niederlage hinnehmen.

Der ursprünglich aus Haiti stammende und in Florida lebende Herausforderer hatte der Wucht und Schnelligkeit des körperlich klar überlegenen Titelverteidigers von Beginn an nichts entgegenzusetzen. Dank seiner Größe und Reichweite konnte der Champion sofort seinen Jab durchsetzen und mit der Rechten immer wieder über die Deckung des Kontrahenten schlagen, der keinen Rhythmus fand und in die Defensive gezwungen wurde. In der zweiten Runde mußte Campfort nach einem rechten Konter des Weltmeisters erstmals zu Boden gehen. Als er im folgenden Durchgang in der Ringecke mit einer Serie von Schlägen eingedeckt wurde, ließ er sich auf ein Knie nieder, so daß ein zweiter Niederschlag in die Wertung einging.

Das absehbare Ende nahm in der vierten Runde seinen Lauf, als der Herausforderer von einem Uppercut am linken Auge getroffen wurde und zurücktaumelte. Charlo setzte sofort nach und brachte eine rechte Gerade ins Ziel, die Campfort niedersinken ließ, wobei er einen weiteren Schlag einstecken mußte. Er kam zwar rechtzeitig wieder auf die Beine, signalisierte aber dem Ringrichter, daß er nichts mehr sehen könne, worauf der Kampf nach 1:16 Minuten des Durchgangs abgebrochen wurde.

Wie der gescheiterte Herausforderer hinterher erklärte, sei es ihm sehr schwer gefallen, am Jab des Weltmeisters vorbeizukommen, der den Kampf auf diese Weise kontrolliert habe. Wo es ihm dennoch gelungen sei, Schläge ins Ziel zu bringen, seien diese angesichts der Massivität des Gegners wirkungslos verpufft. Wenngleich Charlo wirklich ein sehr guter Boxer sei, hätten Gewicht und Größe doch von vornherein den Ausschlag gegeben. Er habe im Ring den Eindruck gehabt, einem Halbschwergewichtler gegenüberzustehen. Nach dem letzten Niederschlag sei seine Sicht derart eingeschränkt gewesen, daß der Kampf nicht mehr fortgesetzt werden konnte.

Jermall Charlo hob in seiner anschließenden Stellungnahme hervor, daß er seinen Plan konsequent umgesetzt habe, fleißig mit dem Jab zu arbeiten und alles weitere davon abhängig zu machen, wie sein Gegner mit dieser Situation umgehen würde. Er habe den besten Jab in der Branche und werde weiter davon Gebrauch machen, da er damit seine Familie ernähre. Sein Zwillingsbruder Jermell Charlo, der ebenfalls im Halbmittelgewicht boxt und ungeschlagen ist, zeigte sich höchst angetan vom Auftritt des Weltmeisters. Sein Bruder habe die taktische Marschroute perfekt umgesetzt und den Herausforderer wie angekündigt binnen weniger Runden geschlagen auf die Bretter geschickt. [1]

Auf die naheliegende Frage, ob er einen Aufstieg ins Mittelgewicht in Erwägung ziehe, erwiderte Jermall Charlo, er denke gar nicht daran, seinen Titel und die Regentschaft preiszugeben. In seinem Limit stünden ihm noch bedeutende Kämpfe in Aussicht. Wenngleich es zutrifft, daß die Charlos derzeit zu den weltbesten Akteuren des Halbmittelgewichts gehören und in absehbarer Zeit alle vier maßgeblichen Titel untereinander aufteilen könnten, muten die Gewichtsschwankungen des geringfügig älteren Zwillingsbruders nachgerade aberwitzig an. Offenbar muß er bis zum offiziellen Wiegen extrem abkochen, um das vorgeschriebene Limit einzuhalten. Steigt er am folgenden Tag in den Ring, sieht er mindestens wie ein Supermittelgewichtler aus, der seinen zumeist wesentlich kleineren und leichteren Gegner zwangsläufig dominiert.

Charlo ist keineswegs der einzige amtierende Weltmeister, der sich derartiger Praktiken bedient. Saul "Canelo" Alvarez, der jüngst den körperlich unterlegenen Miguel Cotto als WBC-Champion im Mittelgewicht abgelöst hat, dürfte das prominenteste Beispiel einer derartigen im Grunde irregulären Verfahrensweise sein. Noch sind die beiden jung genug, um die extreme Belastung ihrer Physis zu verkraften, ohne im Ring konditionell einzubrechen.

Stiege Jermall Charlo eine Gewichtsklasse auf, träfe er dort auf so namhafte Gegner wie Gennadi Golowkin, Saul Alvarez, Miguel Cotto, Andy Lee, Peter Quillin, Daniel Jacobs, Tureano Johnson, Chris Eubank jun. oder Billy Joe Saunders. Genau das scheint jedoch der entscheidende Hinderungsgrund zu sein, da Charlo offenbar lieber ein großer Fisch im kleinen Teich als ein kleiner im großen sein möchte. Einige der genannten Akteure würde er wohl besiegen, anderen wäre er jedoch höchstwahrscheinlich nicht gewachsen.

Da Golowkin sämtliche Gürtel im Mittelgewicht einzusammeln versucht, müßte Charlo dort solange warten, bis der Kasache eines fernen Tages nachläßt, das Limit verläßt oder seine Karriere beendet. Gennadi Golowkin wäre ein unlösbares, aber beileibe nicht das einzige Problem für Jermall Charlo, der es verständlicherweise vorzieht, als Champion im schwächer besetzten Halbmittelgewicht alle Vorteile auf seiner Seite zu haben. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14244965/jermall-charlo-overpowers-wilky-campfort-tko-win

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/11/jermall-charlo-stops-wilky-campfort-in-4th/#more-202559

2. Dezember 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang