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MELDUNG/1877: Abschied mit beschränkter Haftung (SB)



Manny Pacquiao hat sich Timothy Bradley ausgesucht

Manny Pacquiao kehrt am 9. April in Las Vegas als Herausforderer des WBO-Weltmeisters im Weltergewicht, Timothy Bradley, in den Ring zurück. Ob es wie angekündigt die Abschiedsvorstellung des philippinischen Volkshelden wird, ließ sein Promoter Bob Arum aber offen. Er gehe davon aus, daß es Mannys letzter Kampf ist, weil ihm dieser das auch so gesagt habe. Er werde sich aber trotzdem nicht hinstellen und die Show als Abschluß einer grandiosen Karriere verkaufen. Denn sollte sich Pacquiao doch noch anders entscheiden und weitermachen, stünde er als dessen Promoter wie ein Idiot da, sagte Arum gegenüber dem Sender ESPN. Nach seiner aktiven Karriere will sich Pacquiao auf die Politik konzentrieren. Er sitzt bereits seit 2000 als Abgeordneter im Unterhaus des philippinischen Parlaments und erwägt bei den Wahlen im Mai 2016 eine Kandidatur für eine sechsjährige Amtszeit als Senator. [1]

Die Veranstaltung in Las Vegas wird in den USA von HBO im Bezahlfernsehen angeboten, um die Übertragungsrechte in Deutschland bemühen sich mehrere Sender. Für den 37jährigen Philippiner ist es der erste Auftritt seit seiner Niederlage im Titelkampf gegen Floyd Mayweather am 2. Mai 2015, der mit einem Gesamtumsatz von 600 Millionen Dollar und 4,6 Millionen Buchungen im Bezahlfernsehen für phantastische Rekordergebnisse sorgte. Allerdings war Pacquiao mit einer Schulterverletzung in den Ring gestiegen und mußte sich anschließend einer Operation unterziehen.

Gegen Bradley hat Pacquiao schon zweimal gekämpft: Das erste Duell endete im Juni 2012 mit einer der krassesten Fehlentscheidungen der jüngeren Boxgeschichte. Obgleich so gut wie alle Beobachter den Philippiner als klaren Sieger gesehen hatten, werteten Duane Ford und CJ Ross mit 115:113 für Bradley, der damit den WBO-Titel im Weltergewicht geschenkt bekam. Heftig einsetzende Kritik führte dazu, daß Ford und Ross nie wieder in dieser Funktion eingesetzt wurden, was aber nichts an Pacquiaos erster Niederlage seit über sieben Jahren änderte, die zugleich ein herber Rückschlag für die damals schon laufenden Verhandlungen über einen hochdotierten Kampf gegen Floyd Mayweather war. Im April 2014 kam es zur Revanche zwischen dem Philippiner und Timothy Bradley. Diesmal setzte sich Pacquiao noch klarer durch und bekam verdientermaßen den einstimmigen Punktsieg zugesprochen.

Wenngleich Pacquiao die ersten beiden Kämpfe dominiert hat, könnte das dritte Kapitel der Serie durchaus spannend werden, da Bradley inzwischen mit dem renommierten Trainer Teddy Atlas zusammenarbeitet und sich unter dessen Betreuung steigern könnte. In seinem letzten Kampf gegen Brandon Rios zeigte der 32jährige eine solide Leistung, die er mit einem Sieg durch technischen K.o. in der neunten Runde krönte. Auch Bob Arum rechnet mit einem anderen Verlauf als in den ersten beiden Begegnungen mit dem Philippiner.

Allerdings sind die Meinungen geteilt, in welchem Maße sich Bradley in jüngerer Zeit tatsächlich verbessert hat. Nach der klaren Niederlage gegen Pacquiao traf er 2014 noch auf Diego Chaves und ließ dabei in der zweiten Hälfte des Kampfs derart nach, daß er nach zwölf Runden von Glück reden konnte, mit einem Unentschieden davongekommen zu sein. Zuletzt hat er sich gegen Jessie Vargas und Brandon Rios durchgesetzt, die wie er bei Top Rank unter Vertrag stehen und als eher mittelmäßige Kontrahenten einzustufen sind. Rios präsentierte sich bei ihrem Duell in schlechter Verfassung und hat im Weltergewicht ohnehin nie Bäume ausgerissen. Sein größter Erfolg war ein umstrittener Abbruchsieg gegen Chaves im Jahr 2014, der in der neunten Runde in Führung liegend wegen eines angeblichen Ellbogenstoßes disqualifiziert wurde - eine Fehlentscheidung des Ringrichters, wie die Zeitlupenstudie zeigte. [2]

Während für Pacquiao 57 Siege, sechs Niederlagen und zwei Unentschieden zu Buche stehen, hat Bradley 33 Auftritte gewonnen sowie je einen verloren und unentschieden abgeschlossen. Die Popularität des Philippiners hatte gelitten, als bekannt wurde, daß er verletzt in den Kampf mit Mayweather gegangen war. Angesichts der sündhaft teuren Eintrittspreise in Las Vegas und einer Rekordgebühr von rund 100 Dollar für die Buchung der Übertragung fühlten sich viele Kunden ob des einseitigen Kampfverlaufs geprellt. Zudem gibt ein drittes Duell mit Bradley keinen Anlaß, in Begeisterung auszubrechen.

Doch selbst wenn das Interesse der Zuschauer nicht in den Himmel schießt, kann Bob Arum höchst zufrieden mit der Entscheidung Pacquiaos sein, stehen doch beide Akteure bei ihm unter Vertrag. Damit hat Top Rank die volle Kontrolle über alle Aspekte der Vermarktung und braucht die Einkünfte mit keinem anderen Promoter zu teilen, was eine möglicherweise verhaltene Nachfrage mehr als wettmachen dürfte. Sollte Bradley diesmal die Oberhand behalten, wäre dies angesichts seiner dadurch erheblich gesteigerten Popularität einen weiterer Zugewinn für Arum.

Wunschkandidat Bob Arums scheint allerdings der WBO-Weltmeister im Halbweltergewicht, Terence Crawford, gewesen zu sein, dessen Karriere allein schon dadurch einen enormen Schub erfahren hätte, wäre die Wahl des Philippiners auf ihn gefallen. Dessen Berater Michael Koncz hatte kürzlich auch Kontakt mit Adrien Broner aufgenommen, um zu sondieren, ob er als Gegner Pacquiaos in Frage käme. Daraus wurde jedoch nichts, wie Arum umgehend hervorhob. Wenngleich der Promoter stets betont hat, die letzte Entscheidung hinsichtlich des Kontrahenten liege allein bei dem Philippiner, darf man wohl vermuten, daß er in allen Stadien der Entscheidungsfindung mit am Ball gewesen ist.

Dies würde auch erklären, warum Arum noch vor einer offiziellen Ankündigung des Kampfs die "Manila Times" wissen ließ, daß es zum dritten Duell mit Bradley kommen werde, wohingegen Berichte, Broner habe gute Aussichten, unzutreffend seien. Damit war die Katze aus dem Sack und de facto ausgeschlossen, daß Pacquiaos Team im letzten Augenblick querschießen könnte. Zudem teilte Arum im Gespräch mit ESPN mit, er habe dem Philippiner bereits einen Vorschuß von 2 Millionen Dollar auf die Garantiebörse von 20 Millionen Dollar überwiesen. [3]

Nicht wenige Fans hätten wohl Broner als Gegner vorgezogen, der stets versucht, Mayweather zu imitieren, und im Vorfeld eines Kampfs zahllose Interviews gibt, sich zur Abwechslung ein befristetes Schweigegelübde auferlegt oder mit anstößigen Äußerungen viel Wirbel macht. Zumindest wäre Adrien Broner im Zusammenhang mit Pacquiao neu und anders gewesen, was den Unterhaltungswert schon bei der Bewerbung des Duells gesteigert hätte. Andererseits hätte Broners Berater Al Haymon mit Sicherheit nichts unversucht gelassen, einen höheren Anteil an der Gesamtbörse für seinen Boxer herauszuschlagen, so daß Pacquiao bei dieser Option höchstwahrscheinlich weniger als mit Bradley verdient hätte, der nicht mehr 20 oder 25 Prozent bekommen dürfte.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6898-9-april-in-las-vegaspacquiao-vs-bradley-iii.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/12/arum-pacquiao-fight-bradley-third-fight/#more-203687

[3] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14466675/manny-pacquiao-fight-timothy-bradley-jr-third-april-9-mgm-grand

2. Januar 2016


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